Schweizer Behörden für Ex-DFB-Boss Theo Zwanziger von Fifa abhängig
Sechs Jahre lang war Theo Zwanziger DFB-Präsident, vier Jahre sass er im Fifa-Exekutivkomitee. Jetzt schiesst er gegen die Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze
- Theo Zwanziger war lange Zeit einer der mächtigsten Männer im Weltfussball.
- In einem ausführlichen Interview schiesst er gegen Gianni Infantino und Katar.
Theo Zwanziger (73) hat noch selten mit Kritik an der Fifa gespart. Seit der Ex-DFB-Präsident nicht mehr Teil des Weltverbandes ist, schiesst er regelmässig gegen dessen Führungsetage.
Seine Lieblingsziele: Präsident Gianni Infantino (49) und das «Krebsgeschwür des Weltfussballs», WM-Ausrichter Katar.
In einem Interview mit dem «11 Freunde»-Spezial spricht Zwanziger ausführlich über die Probleme im Weltverband. Für ihn begannen sie mit der Ablöse von Sepp Blatter und Michel Platini. Und auch die Schweiz nimmt er ins Visier.
Welche Rolle die Schweiz spielt
Für Zwanziger ist klar, dass auch die Schweizer Behörden « in diesem Abhängigkeitsverhältnis mit drinhängen». Es habe «zum Schweizer Spiel» gehört, Steuerhinterzieher zu schützen.
Zwanziger: «Der Schweizer Staat könnte jederzeit ein Sportgesetz verabschieden, mit dem er Amtszeitbegrenzungen festsetzt und Abhängigkeitsverhältnisse unter Strafe stellt. Die Schweizer Gesetze im Umgang mit privaten Wettbewerbsverfahren sind leider sehr schwach.»
«Infantino würde den Sitz [der Fifa] vielleicht nach Katar verlegen», scherzt Zwanziger. «Das wäre zumindest ein Anfang, um das System aufzubrechen und Diskussionen anzuregen. Aber so müssen wir damit zurechtkommen, dass die Welt ist, wie sie ist.»
Nur mit entsprechender Gesetzeslage in der Schweiz könne man die Fifa dazu zwingen, sich an ihren eigenen Ethikkodex zu halten. Und nur so liesse sich die Ethikkommission wieder zu einem neutralen Kontrollgremium machen.
«Speichellecker» im Fifa-Kontrollgremium
«Was man bei aller Kritik an Blatter nicht vergessen darf: Der Ethikkodex wurde mit seiner Hilfe durchgesetzt. Am Ende hatten wir eine schlagkräftige Untersuchungskammer konstituiert.»
Blatters Nachfolger Infantino schaffte das unabhängige Kontrollgremium rund um die Juristen Cornel Borbely und Hans-Joachim Eckert rasch wieder ab. Zwanziger: «Als Gianni Infantino Fifa-Präsident wurde, hat er die beiden abgesetzt, weil sie ihm gefährlich wurden.»
Und weiter: «Borbely und Eckert haben auch vor ranghohen Funktionären nicht haltgemacht. Für Infantino war es aber unvorstellbar, dass er als Präsident in die Schusslinie gerät. Also ersetzte er die beiden durch Verbündete und Speichellecker.»
Blatter will er aber nicht uneingeschränkt in Schutz nehmen. «Er hat viel für den Fussball getan und sich auch für wenig beachtete Bereiche wie den Frauenfussball eingesetzt. Aber ich kritisiere, dass er zu lange im Amt war. Zumal er vor seiner Zeit als Präsident schon 17 Jahre Generalsekretär der Fifa gewesen war.»
Korruption sieht Zwanziger bei Blatter aber nicht. «Ich glaube nicht, dass man ihm strafbares Verhalten vorwerfen kann. Er kannte das System und nutzte es in seinem Sinne.»
Zwanziger und das Krebsgeschwür
Anders sieht der 73-Jährige die Vergabe der Fussball-WM 2022 nach Katar. «Ich habe es schon oft gesagt, und ich stehe weiterhin dazu: Katar ist das Krebsgeschwür des Weltfussballs.»
«Ich kritisiere, dass sie einen solidarischen und sozialen Sport wie den Fussball als Machtinstrument benutzen. Sie schaffen gesetzliche Rahmenbedingungen, um im Schnellverfahren Sportler einzubürgern. Sie entlöhnen Gastarbeiter nicht anständig. Sie scheren sich nicht um Menschenrechte.»
Dass die Fifa Katar die WM entziehen könnte, glaubt Zwanziger nicht. «Weil das Geld weiter wuchert. Aus der sportpolitischen Zusammensetzung des Kongresses folgt unter dieser Führung keine Entwicklung, die eine Absage möglich macht.»
Auch ein Boykott der WM durch die grössten Nationalteams wäre nach seiner Ansicht wenig sinnvoll. «Da beginnt wieder die Abhängigkeit zu wirken. Die Verbände, die sich qualifizieren, haben Sponsoren im Rücken und hohe Budgets akquiriert. Sie unterliegen wirtschaftlichen Zwängen, deshalb bricht keiner aus dem System aus.»