So schlimm steht es um den Libanon

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Libanon,

Wirtschaftskrise, Einkommensungleichheit und nun auch noch eine verheerende Explosion: Der Libanon steht im Begriff ein «failed state» zu werden. Warum?

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Der Libanon hatte eine verheerende Explosion erlebt. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit Monaten ist die Wirtschaft des Landes auf Talfahrt.
  • Die politische Lage ist chaotisch.

Es ist knapp zwei Wochen her, seit am 4. August 2020 eine schreckliche Explosion Beirut, die mit Abstand grösste Stadt des Libanon, erschütterte. Zum jetzigen Zeitpunkt sind bereits mehr als 170 Tote und über 6000 Verletzte zu beklagen. Mehr als 300'000 Menschen haben ihr Dach über dem Kopf verloren.

Die Explosion ist ein weiterer grosser Schlag für das Land, das sich bereits seit längerer Zeit in der Krise befindet.

Die libanesische Wirtschaft steht kurz vor dem Kollaps

Die Wirtschaft ist seit Monaten im freien Fall, die Arbeitslosigkeit stieg als Folge davon auf über 50%. Der Aussenminister Nassif Hitti trat am Montag, 3. August - einen Tag vor der Explosion - zurück. Grund dafür sind die seit Monaten nicht umgesetzten Reformen, welche der Bevölkerung vom libanesischen Kabinett versprochen wurden. Hitti warnte bei seinem Abgang davor, dass der Libanon dabei sei, ein «failed state» zu werden. Inzwischen hat die ganze Regierung den Rücktritt erklärt.

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Der Libanon ist nicht mehr nur sinnbildlich kollabiert. - World Vision

Denn auch die Landeswährung «Lira» ist auf einer Talfahrt; die Grundpreise der Lebensmittel haben sich diversen Schätzungen zufolge verdoppelt bis vervierfacht. Die libanesische Bevölkerung leidet stark unter der Wirtschaftskrise. Knapp 30% der Bewohnerinnen und Bewohner leben unterhalb der Armutsgrenze. Das bedeutet, dass sie mit 4 Franken pro Tag oder weniger auskommen müssen.

Soziale Ungerechtigkeit und riesige Schere zwischen Arm und Reich

Für zusätzliche Unruhe sorgt die grosse Einkommensungleichheit: Die obersten 0,1% der Libanesen verdienen gleich viel wie die unteren 50% zusammen. Oder anders ausgedrückt: 3000 Menschen verdienen gleich viel wie 2 Millionen Bewohner.

Und obwohl die libanesische Bevölkerung schon darum kämpfen muss, selbst über die Runden zu kommen, hat das Land auch noch die weltweit höchste Konzentration an Flüchtlingen. Diese machen 30% der Bevölkerung aus. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 sind über 1,5 Millionen Syrierinnen und Syrier in den Libanon geflüchtet. Aufgrund der komplexen Vergangenheit zwischen den beiden Staaten und weil die Bevölkerung die zusätzliche Belastung kaum bewältigen kann, enstehen Spannungen. Syrische Flüchtlingsfamilien haben noch viel weniger Chancen auf einen Job, Kindern bleibt die Bildung verwehrt.

Psychologische Spätfolgen für Kinder

Zu all diesen Faktoren ist nun auch noch die Explosion dazu gekommen. Was es für die Zukunft der Menschen im Libanon bedeutet, ist noch schwer abzuschätzen. Wie soll ein Staat, der bereits vor dem wirtschaftlichen Bankrott steht, den Wiederaufbau finanzieren? Und auch emotional und psychologisch kann ein solches Trauma noch langfristig nachwirken. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich die Menschen im Libanon grosse Sorgen um ihre Zukunft und die ihrer Kinder machen.

Sirine, ein 12-jähriges Mädchen, hat die Explosion hautnah miterlebt: «Was geschah, war schlimmer als Krieg. Ich ging mit meinen Eltern auf der Strasse spazieren, als wir eine grosse Explosion hörten. Wir haben uns umgeschaut, ob es allen gut geht und haben einen älteren Mann gesehen, der bewusstlos unter Glasscherben lag».

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Die Situation im Libanon kann schwerwiegende psychologische und emotionale Folgen haben. Vor allem für Kinder. - World Vision

Die Familien, die dort leben, sind nun mehr denn je auf auswärtige Hilfe angewiesen. Eine Organisation, die bereits seit 1975 in Beirut ansässig ist und nun auch Soforthilfe leistet, ist World Vision.

Hans Bederski, Leiter von World Vision im Libanon, beschreibt die Situation wie folgt:
«Wir sind wirklich besorgt um die Familien und Kinder, die in den betroffenen Gebieten leben. Diese Katastrophe könnte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen. Der Libanon befindet sich mitten in einer Wirtschaftskrise und die COVID-19-Infektionen sind in den vergangenen Wochen drastisch angestiegen und die Krankenhäuser schon jetzt an ihren Grenzen».

Der Libanon braucht Hilfe

Auch Rami Shamme, Direktorin für die Projekte von World Vision Libanon, appelliert an die Weltgemeinschaft: «Um angemessen reagieren und Kinder und Familien im Libanon unterstützen zu können, werden wir 5 Millionen USD aufbringen müssen. Wir rufen die internationalen Geber und die Öffentlichkeit auf, uns zu unterstützen, damit wir beim Wiederaufbau helfen können. Die Menschen im Libanon haben genug gelitten. Sie sind stark, aber sie brauchen die Unterstützung der Welt, um diese Tragödie zu überleben.»

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Hans Bederski, Leiter von World Vision Libanon, spricht mit dem 9-jährigen Ahmad in dessen Zuhause, einem Vorort von Beirut. - World Vision

World Vision unterstützt die libanesische Bevölkerung auf verschiedenen Ebenen. Die NGO stellt Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel, Haushaltsgegenstände und Hygieneartikel für bedürftige und obdachlos gewordene Familien zur Verfügung. Sie organisiert vorübergehende Unterkünfte oder Reparaturen von Wohnungen für Familien, deren Häuser beschädigt wurden und bietet psychologische Erste Hilfe für die von der Explosion betroffenen Kinder und Familien an.

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