Fünf Staatsanwälte ohne Jus-Studium
Die juristische Fachzeitschrift «Plädoyer» widmet in ihrer aktuellen Ausgabe einen Artikel dem Thema «Staatsanwälte ohne Jus-Studium».
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«Staatsanwälte sind heute Ermittler, Strafverfolger und Richter zugleich», heisst es im «Plädoyer». Die Rechtsprechung hat sich von den Gerichten zu den Staatsanwaltschaften verlagert. Im Kanton St. Gallen waren im vergangenen Jahr 69 Prozent der Abschlussverfügungen Strafbefehle.
Ein Strafbefehl ist ein Urteilsvorschlag der Staatsanwaltschaft. Wenn sich die beschuldigte Person nicht innert der gesetzlichen Frist dagegen wehrt, wird der Strafbefehl zu einem vollstreckbaren Urteil.
Massengeschäft Strafbefehl
Der Grossteil der Strafbefehle betreffen laut Roman Dobler, Sprecher der St. Galler Staatsanwaltschaft, einfache Verkehrsregeldelikte und «gescheiterte» Ordnungsbussenverfahren: «Ein Massengeschäft für die Staatsanwälte.«
Derzeit arbeiten neben den fünf leitenden Staatsanwälten insgesamt 65 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. Bei der Einstellung wird ein Jus-Studium und wenn möglich eine Anwalts-Patent vorausgesetzt.
Es gibt aber auch Ausnahmen: Fünf Staatsanwälte verfügen über kein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften. Dabei handle es sich um langjährige Mitarbeiter, die zum Teil vor der Pensionierung stünden, so Dobler.
«Vier-Augen-Prinzip»
Sie hätten bereits vor der Einführung der Strafprozessordnung (StPO) im Jahr 2011 als Untersuchungsrichterinnen und Untersuchungsrichter für die Staatsanwaltschaft gearbeitet.
Neben den Staatsanwälten gibt es noch 32 Sachbearbeiter mit staatsanwaltschaftlichen Befugnissen (SmsB). Vorzugsweise verfügten diese über eine Ausbildung als Rechtsagent, sagt Dobler.
In allen Fällen der Staatsanwaltschaft gelte das «Vier-Augen-Prinzip». Auch Strafbefehle müssten von der vorgesetzten Stufe geprüft werden.
Ehemalige Statthalter
Die Funktion des SmsB ist im Kanton Thurgau nicht vorgesehen, heisst es bei der Medienstelle der Thurgauer Staatsanwaltschaft. Aktuell arbeiten noch vier Staatsanwälte ohne Jus-Studium im Kanton Thurgau. Sie waren Statthalter oder Vizestatthalter, die in der alten Organisation bei den Bezirksämtern tätig und vom Volk gewählt worden waren.
Staatsanwältinnen und Staatsanwälte werden heute vom Thurgauer Regierungsrat, der Generalstaatsanwalt vom Grossen Rat jeweils für vier Jahre gewählt. Bei Neueinstellungen wird ein Jus-Studium zwingend vorausgesetzt.
Das neue Modell gilt seit 2011. Die Nicht-Juristen werden in der Regel keine Anklage vor den Gerichten vertreten, ausgenommen solche, welche den Master of Forensics an der Hochschule Luzern aufweisen, schrieb der Thurgauer Regierungsrat in der Antwort auf eine Interpellation zur Umsetzung der Reorganisation.