Wallbach (Aargau) und Wallbach (Bad Säckingen): zwei Perlen am Rheinbogen
Es gibt einige Schweizer Grenzorte, die denselben Namen tragen, wie die ausländische Ortschaft, die unmittelbar jenseits der Landesgrenze liegt.
Eingebettet zwischen den Hügeln des Fricktaler Tafeljuras und des Schwarzwaldes zieht der Hochrhein in einem gedehnten Bogen lautlos durch die Ebene. Dort, in der Mitte zwischen Rheinfelden AG und Stein AG steht am linken Ufer das Dorf Wallbach (Aargau). Ihm gegenüber liegt, etwas weiter rheinabwärts versetzt, der gleichnamige deutsche Stadtteil Wallbach (Bad Säckingen), der zum Landkreis Waldshut gehört.
Kurzer Blick in die Geschichte
Das heutige Gebiet der beiden Wallbach war bereits zur Steinzeit bewohnt. Dabei begünstigte eine Furt schon früh die Ansiedlung und den Austausch von Gütern über den Rhein. 44 vor Christus drangen die Römer ein. Diese bauten ab 370 nach Christus bei Wallbach AG den Limes, einen Schutzwall mit drei Wachttürmen, um Angriffe der Alemannen abzuwehren.
Das Mittelalter war für Wallbach AG eine wechselhafte Zeit: Es wurde mehrfach vom Adel gekauft, verkauft oder verpfändet, bis es schliesslich an die Grafen von Homberg-Thierstein gelangte. Als diese ausstarben, ging Wallbach AG 1232 an die Habsburger über. 1272 erwarben sie mit der Grafschaft Wehr auch das Badische Wallbach. 1281 wurde Wallbach AG erstmals urkundlich erwähnt.
Nach dem Waldshuterkrieg, 1468, verpfändete Habsburg das Fricktal an die Burgunder. Mit dem Sieg der Eidgenossen über Burgund wurde Wallbach AG 1477 erneut österreichisch.
Im 17. Jahrhundert litten beide Ortschaften unter mehreren blutigen regionalen und europäischen Kriegen.1797 besetzte das Französische Revolutionsheer das Fricktal. Mit dem Frieden von Campoformio wurde der Rhein zur Staatsgrenze zwischen der Helvetischen Republik und dem Grossherzogtum Baden erklärt. Wallbach AG kam 1802 zum «Canton de Fricktal», der in den Kanton Aargau eingegliedert wurde. Bis heute ist Wallbach eine eigenständige Gemeinde im Bezirk Rheinfelden geblieben. Das rechtsrheinische Wallbach hingegen ging an das Grossherzogtum Baden.
Als im Fricktal 1850 eine grosse Hungersnot ausbrach, wanderten auch viele Menschen aus Wallbach AG nach Amerika aus. Lange Zeit prägte die Landwirtschaft das Dorf. Die Eröffnung der Eisenbahnlinie durch den Bözberg förderte 1875 die Industrialisierung des Fricktals. Da die Strecke jedoch oberhalb von Wallbach AG verlief, entwickelte sich die Gemeinde erst nach 1950 zu einem begehrten Wohnort und attraktiven Sitz für Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe sowie der verarbeitenden Industrie. Heute leben rund 2‘000 Bürgerinnen und Bürger in Wallbach. Viele der Erwerbstätigen pendeln in die Nachbargemeinden des Fricktals und in die Region Basel zur Arbeit.
Am 1. April 1972 wurde das Badische Wallbach als Quartier in die Stadt Säckingen eingemeindet. Dennoch ist es bis heute ein ländlich geprägtes Industriedorf mit 1’500 Einwohnerinnen und Einwohnern im Landkreis Waldshut geblieben. Zahlreiche Arbeitnehmer fahren in die deutsche Hoch- und Oberrheinregion oder in die Nordwestschweiz zur Arbeit.
Fischer, Flösser und Schiffer
Nebst der Strasse war der Rhein für beide Wallbach über Jahrhunderte hinweg der zweite wichtige Verkehrsweg. Der Bevölkerung diente er sowohl als Nahrungs- und Erwerbsquelle. Der Fluss war reich an Speisefischen, die von den Fischern in grosser Zahl gefangen wurden. Auch die Flösser hatten mit dem Transport von Holz aus den Fricktaler Wäldern und dem Schwarzwald ihr Einkommen. Es wird angenommen, dass schon die Römer ihre Waren per Schiff oder auf Flössen auf dem Rhein befördert hatten. Bis zum Beginn der Neuzeit prägten die Fischerei und Flösserei die Geschichte der Dörfer. Um 1500 schlossen sich die Wallbacher Flösser und Schiffer zur sogenannten „Rheingenossenschaft“ zusammen, welche die Rheinschifffahrt bis nach Basel kontrollierte. Ausserdem unterhielten sie während Jahrhunderten einen Fährdienst zwischen beiden Ufern. Mit dem Bau des Wasserkraftwerks Rhyburg-Schwörstadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging in beiden Dörfern die Ära der Fischer, Flösser und Schiffer von einem Tag auf den anderen zu Ende.
Der Zoll im Fricktal
Bis heute haben beide Wallbach keine eigene Zollstelle. Wer über den Rhein wollte, setzte einst mit einer Fähre über oder durchwatete den Fluss bei niedrigem Wasserstand. Für den Landverkehr wurde im 13. Jahrhundert eine Brücke zwischen Stein AG und Bad Säckingen erstellt. Reisende und Fuhrleute, die Waren über den Rhein führten, mussten Zölle bezahlen. Gängige Handelsgüter waren damals Schweizer Käse, Ziger, Wolle, Malvasier- und Muskatellerwein. Für den Transport auf dem Wasser entrichteten die Flösser und Schiffer auf Eisen, Stahl und Schaffhauser Salz den sogenannten Rheinzoll.
1804 errichtete der Kanton Aargau neben der Holzbrücke in Stein AG einen Polizeiposten. Mit der Vereinheitlichung des schweizerischen Zollwesens lösten eidgenössische Zollbeamte 1848 die kantonalen Landjäger (früher für Grenzwächter) ab. Rheinfelden wurde Zollbezirk. Lange Zeit hatten die Grenzübergänge Rheinfelden und Stein alternierend den Status eines Hauptzollamts inne. Seit der Eröffnung der Gemeinschaftszollanlage (GZA) Rheinfelden-Autobahn im Jahr 2006 ist es Rheinfelden. Der Grenzübergang Stein ist seither eine Nebenzollstelle der GZA Rheinfelden.
1979 wurde die neue Strassenbrücke von Stein AG nach Bad Säckingen eingeweiht und die schweizerische Nebenzollstelle auf deutschem Boden in Betrieb genommen. Das Büro fertigt ein eingeschränktes Segment an Handelswaren zu vertraglich festgelegten Bedingungen ab: Die Güter kommen aus der anstossenden deutschen Grenzzone sowie den rheinanliegenden Gemeinden bis Rheinfelden. Oder die Waren haben ihren Bestimmungsort in der angrenzenden schweizerischen Grenzzone.
Die alte Holzbrücke ist nur noch für den Fussgängerverkehr geöffnet. Passanten dürfen Privatwaren im Rahmen der Wertfreigrenze in die Schweiz bringen. Nach wie vor wird dieser Abschnitt von der Grenzwache kontrolliert.
Was beide Orte verbindet
Zwischen beiden Dörfern bestanden schon immer enge Verbindungen. Diese sind nicht nur wirtschaftlicher oder politischer Natur, sondern leben vor allem durch gegenseitige Beziehungen und Verwandtschaften über die Grenze hinweg. Allerdings wurden diese in der Zeit des Dritten Reichs unterbrochen und konnten erst nach 1945 wieder aufgenommen werden. Ein Anknüpfungspunkt war unter anderem die Rückbesinnung auf die gemeinsame vorderösterreichisch-habsburgische Vergangenheit.
Beide Orte pflegen nach wie vor einen regen Austausch. Bei verschiedenen Anlässen, die während des Jahres stattfinden, sind die jeweiligen Rheinnachbarn gerngesehene Gäste. An Pfingsten verbindet zusätzlich zum Kursschiff «Trompeter von Säckingen» ein Fährbetrieb, die sogenannte «Pfingstfähre», die beiden Rheinufer.
Sehenswert ist in Wallbach AG das Fossilienmuseum, das Versteinerungen aus der Urzeit präsentiert. In Wallbach (Bad Säckingen) präsentiert das «Müllmuseum» Schätze, die aus einer Mülldeponie gerettet wurden.
Wer sich am Rhein erholen will, findet Rad- und Spazierwege entlang des Rheins. Beide Orte tragen Sorge zur Natur. Das Badische Wallbach besitzt einen natürlichen Uferwaldbestand, der seltene Flora und Fauna beherbergt. Ein besonderes Naturdenkmal ist die Weichholzaue am Rheinufer von Wallbach AG. Der einmalige Silberweidenbestand und sein Schilfgürtel sind ein Rückzugsgebiet für gefährdete Tierarten, dazu gehören die Grüne Keiljungfer (Libellenart), der grosse Schillerfalter, Gelbbauchunken und Ringelnattern.
Beiderseits des Rheins investiert die Politik in die Zukunft der Orte, damit beide Wallbach auch für kommende Generationen bleiben, was sie immer schon waren: zwei Perlen am Rheinbogen.