Bundesrat will Personenfreizügigkeit nicht kündigen

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Bern,

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative "Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)" ohne Gegenentwurf ab.

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Verwaltung (Symbolbild). - Der Bundesrat

Durch die Kündigung der Personenfreizügigkeit würde der bilaterale Weg mit der Europäischen Union grundlegend infrage gestellt und der Schweizer Wirtschaft und Wissenschaft bedeutender Schaden zugefügt. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 30. November 2018 einen entsprechenden Richtungsentscheid gefällt. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird dem Bundesrat bis zum 31. August 2019 eine Botschaft unterbreiten.

Die Volksinitiative "Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)" wurde am 31. August 2018 bei der Bundeskanzlei eingereicht. Sie verlangt explizit die Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) mit der Europäischen Union (EU), falls eine einvernehmliche Ausserkraftsetzung innerhalb von 12 Monaten nicht gelingen sollte.

Negative Auswirkungen auf den ArbeitsmarktDer Bundesrat ist der Ansicht, dass sich eine Annahme der Initiative negativ auf die Schweiz und die Schweizer Wirtschaft auswirken würde. Im Zuge der demografischen Entwicklung werden qualifizierte Arbeitskräfte hierzulande zunehmend knapp. Der Anteil der Personen im Pensionsalter steigt. Ab dem Jahr 2035 kommen auf 100 Erwerbspersonen voraussichtlich über 50 Personen im Pensionsalter. Im Bemühen um Fachkräfte steht die Schweiz noch stärker als in der Vergangenheit im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Staaten, die eine vergleichbare Veränderung ihrer Bevölkerungsstruktur erfahren und die ebenfalls sich abzeichnende Personalengpässen in Schlüsselbranchen verhindern wollen. Die rückläufige Zuwanderung aus der EU - der Wanderungssaldo ist heute so tief wie seit 2006 nicht mehr - könnte ein erstes Signal in diese Richtung sein. Für 2018 beträgt der Wanderungssaldo aus der EU/EFTA bis Ende Oktober 26 809 Personen.

Der Bundesrat setzt deshalb auch seine Bemühungen fort, die Zuwanderung zu steuern und die inländische Bevölkerung noch stärker im Arbeitsmarkt einzubinden. So haben Bund und Kantone verschiedene Massnahmen in der Bildungs- und der Arbeitsmarktpolitik beschlossen und wenden im Rahmen der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative die Stellenmeldepflicht für Berufsgruppen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit konsequent an. Die ersten Erfahrungen sind positiv, so werden den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) von den Arbeitgebern deutlich mehr Stellen gemeldet. Trotz diesen Anstrengungen bleibt die Schweiz auch in Zukunft auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, insbesondere aus dem EU/EFTA-Raum. Ein Wegfall des FZA würde diesen Bemühungen zuwiderlaufen.

Initiative fordert einseitige KündigungDie Initiative verlangt, dass die Schweiz das FZA einseitig kündigt, ausser die Schweiz und die EU beenden das FZA innerhalb von zwölf Monaten einvernehmlich. Diese Frist ist zu knapp bemessen, um einerseits wie gewohnt Parlament, Kantone, Parteien und die Wirtschaft zu einem allfälligen Verhandlungsmandat zu konsultieren und andererseits mit der EU eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Die Vergangenheit hat ausserdem gezeigt, dass die EU bislang weder gegenüber der Schweiz noch gegenüber dem Vereinigten Königreich bereit war, auf Verhandlungsbegehren zur Personenfreizügigkeit, die ein Kernelement des europäischen Binnenmarktes darstellt, einzutreten. Der Schweiz drohte deshalb nach Ablauf der Verhandlungsfrist und einer Kündigung des FZA ein vertragsloser Zustand.

Eine einseitige Kündigung des FZA führt zudem aufgrund der sogenannten Guillotine-Klausel zum Wegfall sämtlicher bilateraler Abkommen I mit der EU (neben der Personenfreizügigkeit namentlich technische Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr, Forschung).

Ein Bericht des Staatsekretariats für Wirtschaft (SECO) aus dem Jahr 2015 zeigt, dass ein Wegfall der Bilateralen I einschneidende negative Konsequenzen für die Schweizer Wirtschaft hätte: Im Jahr 2035 würde das BIP rund 5 bis 7 Prozent tiefer liegen, als wenn die Bilateralen I bestehen bleiben. Zudem würde sich der Marktzugang zum europäischen Binnenmarkt verschlechtern, was geringere Exportmöglichkeiten für Schweizer Unternehmen und höhere Konsumentenpreise für Importe aus der EU zur Folge hätte.

 

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