Scheisse, unsere Fluchtradition verarmt
«Donnerli, Donnerli», hiess es, wenn Oma nicht
zufrieden war mit mir. «Hueregopferdammisiechnonemau», wenn Papa sich mal
wieder den Kopf irgendwo gestossen hatte. Und heute? «Scheisse» und im
Extremfall auch ein «Fuck». Einheitsbrei in einem kleinen Land mit einer grossen
Fluchkultur: 3500 verschiedene Flüche haben wir Eidgenossen uns erschimpft.
Doch seit die amerikanische Kultur nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa Einzug
hielt, heisst es plötzlich einfach «Shit». Das bedauert
besonders einer: Fluchforscher Roland Ris (78). Das Migros Magazin hat mit dem
emeritierten Germanistikprofessor der ETH Zürich über die kreativste Art, Dampf
abzulassen, gesprochen.
«Fluchen tut gut»
Die Lieblinge des Fachmanns? «Sie tun ja dümmer als eine schwangere Bergente!», «Stärnelatärne», «Tusigdotzetintehüsli» oder «Potzhimmelgüegeli». Und wenn der Vormann bei Grün nicht aufs Gas drückt, entfährt dem Herrn Professor auch mal ein «du Büffel».
Die Wiege des Fluchens
Ihren Ursprung fanden unsere Flüche im Verfluchen. Darin waren bereits die Ägypter Meister: Sie liessen es sich nicht nehmen, in Hieroglyphen festzuhalten, dem Nachbarn solle die Frau davon laufen und die Potenz abhanden kommen. Später sollte einen dann der Teufel holen oder ein «Himmelstärnedonnerwätter» auf den Feind niedergehen.
Früher gab es Furzwettbewerbe, heute ist alles scheisse
Das Wichtigste in Kürze
- 3'500 verschiedene Flüche kennen wir Eidgenossen. Alleine 1'500 davon kommen aus Bern.
- Kostproben: «Gopfridstutz», «Heiligdonner», «Himmelstärnedonnerwätter», «Stärnelatärne», «Tusigdotzetintehüsli» oder «Potzhimmelgüegeli»
- Fluchen entspannt, droht bei uns aber im Einheitsbrei zu versinken, seit die Amerikaner uns den «Shit» gelernt haben.
Warum wir heute alles «Scheisse» finden? Als Fluch eigne sich besonders, was im Alltag Tabu sei. Auf Gott und die Familie zu schimpfen, das tat gut. Oder dem Nachbarsbauern «Hunderttuusigdonnerwätter» auf die Felder zu wünschen. Aber Fäkalflüche? «Im Barock hat man hierzulande noch Furzwettbewerbe gemacht. Das galt als natürlich und war – anders als heute – überhaupt nicht tabuisiert», sagt Ris.