Lawinen-Dramen: Pistenchefs zunehmend unter Druck

Alexandra Aregger
Alexandra Aregger

Uri,

Gleich zwei Lawinen gingen am Stephanstag nieder. Die Schuld tragen oft Freerider, aber auch die Pistenchefs geraten unter immer mehr Druck.

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Das Wichtigste in Kürze

  • In Andermatt UR und am Piz Nair GR gingen diese Woche Lawinen nieder.
  • Nicht nur Freerider werden als Verursacher öfters angeklagt, sondern auch Pistenchefs.
  • Eine Staatsanwältin erklärt die möglichen Strafen.

Zuerst das grosse Aufatmen: Trotz einer gewaltigen Lawine mitten auf die Skipiste konnten gestern Donnerstag alle Verschütteten in Andermatt UR gerettet werden.

Weniger Glück hatte ein 36-jähriger Snowboarder bei St. Moritz, der nach einer Lawine schwer verletzt ins Spital geflogen wurde. Die Staatsanwaltschaft Graubünden hat eine Strafuntersuchung eröffnet. Auch in Uri untersucht die Polizei derzeit, ob der Pistenchef die betroffene Piste hätte öffnen dürfen.

Lawine
Hier wurde nach Lawinen-Verschütteten in Andermatt UR gesucht. - Keystone

Es zeigt sich: Die Pisten-Verantwortlichen geraten zunehmend unter Druck. Nicht zuletzt dank des Klimas.

Kein Rezept, um Lawinen vorherzusagen

Bruno Jelk ist einer der erfahrensten Bergretter der Schweiz. «Die Piste ist wie eine Strasse: Wenn man diese gefährdet, kann man bestraft werden», sagt er zu Nau.ch.

Wallis Lawine
Bruno Jelk war jahrelang Bergrettungschef in Zermatt, hier zu sehen 2003. - Keystone

Doch eben diese Gefahr vorherzusagen ist äusserst schwierig. So war es in Andermatt eine Gleitschneelawine, «bei diesen ist es noch viel schwieriger zu sagen, wenn sie runter geht», schildert Jelk. Sowohl ein Temperaturanstieg, wie auch eine Senkung könne zum Lawinen-Niedergang führen.

Ein Rezept lasse sich nicht finden. Doch eine Zunahme im Zuge der Klimaerwärmung sei deutlich. «Es wird immer schwieriger für die Pistenchefs.»

Sorgfaltspflicht entscheidend

Jelks Tochter Fabienne Jelk, selber aufgewachsen in Zermatt, ist Staatsanwältin des Kantons Wallis und hat gar ihre Masterarbeit zu Lawinenfällen und deren strafrechtliche Untersuchung verfasst.

Sie erklärt: «Geht eine Lawine über eine geöffnete Piste oder Strasse oder wird jemand in einer Lawine verletzt oder getötet, wird immer eine Strafuntersuchung eröffnet. Diese richtet sich gegen mögliche beschuldigte Personen, zum Beispiel involvierte Bergführer oder Tourenleiter.»

Lawine
Geht eine Freeride-Gruppe mit einem Bergführer auf Tour, kann er bei einer Lawinen-Auslösung verantwortlich gemacht werden. - Keystone

Wie im Fall von Andermatt geraten auch vermehrt die Pistenchefs ins Visier der Ermittler. Gibt es eine Untersuchung, wird meist das Schnee- und Lawinenforschungsinstitut SLF eingeschalten, welches eine Expertise durchführt.

Konkret gehe es um die Sorgfaltspflicht. Wurde diese verletzt, «kann eine Person verurteilt werden». Dazu gehören beispielsweise die sorgfältige Abklärung der Lawinensituation, die Ausrüstung einer Tourengruppe oder wie im Fall von Andermatt die Organisation des Lawinendienstes und die getroffenen Abklärungen, bevor die Piste geöffnet wurde.

Im schlimmsten Fall droht der Knast

Die Straftatbestände seien «fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs, bei Todesfall eine fahrlässige Tötung oder wenn jemand verletzt wurde fahrlässige Körperverletzung».

Lawine
Die Lawine am Piz Nair fordert eine schwer verletzte Person. - Rettungskolonne Sektion Bernina

Letzteres wird im Fall der Lawine am Piz Nair untersucht. Gemäss Strafgesetzbuch kann die fahrlässige Tötung und Körperverletzung zu einer Gefängnis-Strafe von bis zu drei Jahren führen. «In der Regel werden jedoch Geldstrafen gesprochen.»

Fabienne Jelk war selber schon in solchen Fällen involviert. «Für Betroffene ist es sehr schwierig, sowohl für die Opfer, deren Angehörigen und die möglichen Beschuldigten, so wie es auch bei anderen Unfällen der Fall ist.»

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