Woher kommt der Mythos, täglich 10000 Schritte gehen zu müssen?
Es gilt als goldene Regel des gesundheitsbewussten Lebens: täglich 10´000 Schritte gehen. Doch tatsächlich handelt es sich dabei um einen Werbegag.
Das Wichtigste in Kürze
- Die 10´000-Schritte-Regel setzte ein japanisches Unternehmen in die Welt.
- Schon 4000 Schritte täglich senken das Sterberisiko.
- Als ideal gelten etwa 6000 bis 7500 Schritte pro Tag.
Gibt Ihnen der Schrittzähler auf Ihrem Smartphone oder Ihrer Smartwatch 10´000 Schritte als tägliches Ziel vor? Haben Sie diese Empfehlung in einem Fitness-Ratgeber gelesen? Sind Sie frustriert, weil es schwer fällt, diese Zahl zu erreichen? Dann gibt es eine gute Nachricht für Sie: Die 10´000-Schritte-Regel ist nichts weiter als ein Marketing-Gag, der mittlerweile 50 Jahre auf dem Buckel hat.
Das 10´000-Schritte-Gadget
Im Jahr 1964 fanden die olympischen Sommerspiele erstmals in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Wie es sich für die technikverliebte asiatische Nation gehörte, kamen rund um die Olympiade zahlreiche neue Gadgets auf den Markt. Das Unternehmen Yamasa, besser bekannt als Hersteller von Soja-Saucen und Teriyaki-Marinaden, punktete mit dem ersten Schrittzähler der Welt. Dieser trug den Namen «Manpo Kei» – wörtlich übersetzt, «10´000-Schritte-Messer».
Diese 10´000 Schritte waren jedoch völlig aus der Luft gegriffen. Irgendein Marketingmensch in Tokio fand schlicht und einfach, dass die Zahl prima nach aktivem gesundem Leben klang. Eine wissenschaftliche Basis gab es nicht und normalerweise wäre der Manpo Kei wohl nach den olympischen Spielen in Vergessenheit geraten. Dann kam jedoch die Weltgesundheitsorganisation WHO, die aus undefinierbaren Gründen genau diese 10´000 Schritte übernahm und zur offiziellen Empfehlung machte.
Moderne Studien widersprechen der 10´000-Schritte-Regel
Über lange Zeit interessierte sich kaum jemand für die magischen 10´000 Schritte und stellte sie auch nicht in Frage. Erst das neue Jahrtausend, das irgendwo zwischen Bewegungsmangel und Selbstoptimierung schwankt, liess das Interesse wieder steigen. Pedometer (Schrittzähler) sind heute auf jedem Smartphone vorinstalliert, und unzählige Menschen tragen Fitness-Tracker und Smartwatches, um ihre tägliche Bewegung zu messen.
Zahlreiche Studien haben sich seitdem mit der idealen Schrittzahl beschäftigt. Schon 2011 erkannten Forscher am Pennington Biomedical Research Center in Baton Rouge (USA), dass rund 7500 Schritte täglich ausreichen. Andere Richtlinien sprechen von 6000 bis 8000 Schritten.
Dabei spielt natürlich nicht nur die Schrittzahl eine Rolle, sondern auch das Tempo: Wer zügig und mit langen flotten Schritten 4000 Schritte in einer halben Stunde zurücklegt, tut mehr für seine Gesundheit als jemand, der 6000 Schritte gemütlich in einer Stunde zurücklegt.
Handfeste Daten lieferte im Frühling 2019 eine neue kanadische Studie. An dieser nahmen 16´741 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren teil. Sieben Tage lang wurden täglich ihre Schritte gemessen. Nach vier Jahren stellte sich heraus, dass die Damen, die mindestens 4400 Schritte täglich gingen, ein weit geringeres Sterberisiko hatten als die Damen, die nur 2700 Schritte täglich zurücklegten. Bis 7500 Schritte täglich sank das Sterberisiko weiter – doch danach nicht mehr.
Etwa 5000 bis 7500 Schritte täglich sind genug
Aus den Studien lässt sich also ableiten, dass es keine 10´000 Schritte pro Tag sein müssen. Etwa 5000 bis 7500 Schritte scheinen ideal. Dies ist insofern wesentlich motivierender, als dass 6000 Schritte in etwa einer Stunde Spazierengehen entsprechen. Ziehen Sie die Schritte ab, die Sie ohnehin täglich zurücklegen, genügt meist schon ein flotter halbstündiger Spaziergang, um die 6000 zu erreichen. Dies ist oft in der Mittagspause machbar und zumindest in den helleren Monaten abends nach der Arbeit.
Übrigens sind 2020 wieder olympische Sommerspiele in Tokio. Wir dürfen gespannt sein, welche neuen Gadgets sich die asiatischen Technikriesen diesmal einfallen lassen werden.