Warum Männer wie der Visana CEO freiwillig aus dem Leben scheiden

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Bern,

Ein CEO-Posten geht mit Verantwortung, Druck und Stress einher. Ein Psychiater erklärt, warum diese Risikofaktoren besonders Männer treffen.

Visana CEO Urs Roth (erster v.R.) an einer Pressekonferenz.
Visana CEO Urs Roth (erster v.R.) an einer Pressekonferenz. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Visana-CEO Urs Roth ist am Montag freiwillig aus dem Leben geschieden.
  • Männer, die häufig Stresssituationen erleben, sind besonders anfällig für Suizidgedanken.

Am Montag ist Urs Roth, Direktor der Visana-Versicherungen, «freiwillig aus dem Leben geschieden», wie es in einer internen Mail hiess.

Der Visana-Direktor ist nicht der erste Mann in hoher Position, der seinem Leben selber ein Ende setzt.

Die Liste der Männer, die in den letzten 10 Jahren Suizid begangen haben, während sie einen hochdotierten Posten innehatten, ist lang. Da ist beispielsweise Alex Widmer (†52), Chef von Julius Bär. Er verstarb 2008. Ricola-Chef Adrian Kohler (†53) starb 2011. Swisscom-CEO Carsten Schloter (†49) und Zurich-Finanzchef Pierre Wauthier (†53) schieden 2013 aus dem Leben. Ex-Zurich-CEO Martin Senn (†59) starb vor zwei Jahren.

Warum wollen Menschen mit einer erfolgreichen Karriere nicht mehr leben? Sind Druck und Verantwortung ein zusätzliches Risiko?

Extreme Stresssituation

«Man kann heute anhand der Aktivierung der Hirnareale zeigen, dass der suizidale Zustand ein Ausnahmezustand ist, ein extremer Stresszustand des Gehirns», erklärt Psychiater und Psychotherapeut Konrad Michel, der seit vielen Jahren auch zur Suizidalität forscht, gegenüber dem «SRF».

Konrad Michel ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
Konrad Michel ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. - zvg

Stress – in einer Führungsposition keine Ausnahme. Nehmen die Emotionen überhand, schalte das Gehirn auf Autopilot, erklärt der Psychiater. Menschen, die einen Suizidversuch überlebt haben, berichten von einem Trance-ähnlichen Zustand. Von dem Moment an, in dem sie den Entschluss gefasst hatten, bis zu jenem Augenblick, in dem sie die Tat tatsächlich begingen, hätten sie überhaupt keine Angst verspürt. Erst in dem Moment, in dem der Schritt über die Brücke getan war, kehrte schlagartig der Normalzustand zurück. Doch dann ist es oft zu spät.

Männer besonders gefährdet

Aufgabe der Suizidprävention ist es darum, Betroffene aus dem Trance-ähnlichen Zustand zu holen, bevor es zu spät ist. Wichtig dabei sei das Wissen darum, dass es sich beim Suizid selten um einen freiwilligen Entscheid des Betroffenen handelt: «Es herrscht die Meinung, Suizid sei der freie Entscheid des Einzelnen und nicht primär ein Gesundheitsproblem. Ich sehe das aber völlig anders.»

Dass vor allem Männer in Führungspositionen betroffen sind, liegt einerseits natürlich daran, dass viel mehr Männer in Führungspositionen anzutreffen sind. Doch auch die Psychologie hat ein Wörtchen mitzureden: «Wenn Männer Probleme haben, haben sie eher die Tendenz, sich zurückzuziehen und nicht zu reden – das ist das grosse Problem seit eh und je», so Konrad.

Dazu komme, dass Männer sich oft für Methoden entscheiden, die mit grösserer Sicherheit tödlich enden, als Frauen.

Hier bekommen Sie Hilfe bei Suizidgedanken: Dargebotene Hand; Suizidprävention Zürich

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