Expertin erklärt: Was passiert in einer Paartherapie?
Manchmal sind die Konflikte in einer Beziehung so gross, dass nur noch eine Paartherapie helfen kann. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?
Das Wichtigste in Kürze
- Wenn jemand in der Partnerschaft leidet, ist eine Paarberatung empfehlenswert.
- Die meisten Paare kommen sehr spät oder zu spät in die Beratung.
- Es ist wichtig, die eigenen Bedürfnisse mitzuteilen und jene des Partners wahrzunehmen.
- Die Expertin Birgit Kollmeyer gibt im Interview Einblick in die Paartherapie.
In Ihrer Beziehung kommt es ständig zu Streitereien? Sie fühlen sich durch die Worte oder Handlungen Ihrer Partnerin verletzt oder in Ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen? Oder Sie sind sich einfach unsicher, ob diese Beziehung noch eine Chance hat?
Diese Fragen und Situationen zu lösen, sind nicht einfach. Könnte das Gespräch mit einer Paartherapeutin helfen? Psychologin und Paartherapeutin Birgit Kollmeyer bei «Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich» erklärt, wann eine Paartherapie empfehlenswert ist und was dabei geschieht.
Nau.ch: Wem empfehlen Sie eine Paartherapie, respektive eine Paarberatung?
Birgit Kollmeyer: Eine Paarberatung oder Paartherapie ist immer dann zu empfehlen, wenn jemand in der Partnerschaft leidet. In jeder Beziehung gibt es Probleme. Wenn diese aber chronisch werden, man sich nicht mehr verstanden und überfordert fühlt, ist eine Paarberatung ein guter Weg.
Auslöser, eine Paartherapie aufzusuchen, sind oft tiefergehende Verletzungen durch immer wiederkehrende Konflikte und Eskalationen oder auch eine Affäre oder Nebenbeziehung des Partners, respektive der Partnerin.
Oft haben sich Partner auch auseinandergelebt und fühlen eine Distanz in der Beziehung. Die emotionale und/oder die körperliche Nähe sind verloren gegangen. .
Eine Paarberatung ist eigentlich bei begrenzten Problemen angezeigt. In unseren Beratungsstellen sind aber alle Beraterinnen therapeutisch ausgebildet und können daher auch mit komplexen und tieferliegenden Themen umgehen.
Nau.ch: Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Paartherapie?
Birgit Kollmeyer: Die meisten Paare kommen leider sehr spät oder zu spät in die Beratung oder Therapie, denn für viele ist die Schwelle noch sehr hoch. Sie denken, dass sie die Probleme in ihrer Beziehung allein bewältigen müssten. Das kommt auch daher, dass generell zu wenig über Beziehungsprobleme geredet wird. Auch andere Paare haben Probleme. Man ist mit seiner Situation kein Einzelfall.
Spätestens, wenn Probleme chronisch werden oder das Paar merkt, dass es sich gegenseitig immer öfter verletzt, ist ein Gespräch in einer Beratungsstelle oder bei einem Paartherapeuten zu empfehlen.
In unserer Beratungsstelle haben wir den Slogan: «Es ist nie zu früh.» Wir unterstützen auch die Prävention. Wenn ein Paar zum Beispiel bei Konflikten immer wieder Schwierigkeiten hat, diese zu lösen, hilft es zu lernen, wie man besser kommunizieren kann. Des Weiteren kann man Selbstregulation lernen, das heisst, wie kann ich mich beruhigen. Und man kann lernen, den anderen zu unterstützen, wenn schwierige Emotionen hochkommen.
Nau.ch: Gibt es negative Muster in Beziehungen, die Ihnen immer wieder auffallen?
Birgit Kollmeyer: Ja, es gibt typische negative Kreisläufe. Ein Beispiel: Eine Person meckert dauernd, während sich die andere ins Schneckenhaus zurückzieht. Je mehr die eine Person sich zurückzieht, desto mehr meckert die andere. So setzt sich der Kreislauf fort.
Hier ist es wichtig, dass das Paar das eigene Beziehungsmuster sieht und jeder seinen eigenen Anteil erkennt. Bei diesen Kreisläufen gibt es keinen Anfang und kein Ende, denn jeder stösst diesen Kreislauf an und erhält ihn am Leben.
Die Person, die meckert, kann in diesem Fall lernen, wie sie konstruktiv kritisiert, sodass sich die andere nicht so sehr bedrängt fühlt. Sie lernt zu unterscheiden, welche Punkte ihr wichtig sind und was sie auch mal lassen kann. Die Person hingegen, die sich zurückzieht, muss lernen, aktiver zu werden und zu kommunizieren.
Neben dieser Handlungsebene gibt es immer auch eine emotionale Ebene, tiefergehende Gründe für unser Handeln. Eine Fachperson hilft diese herauszufinden. Das können Themen sein wie «Ich werde nicht gesehen», oder «Ich bin nicht gut genug», die meist auf die Kindheit zurückgehen und die Kreisläufe beeinflussen.
In einer Paartherapie lernt man also nicht nur, die Kommunikation zu verbessern, sondern es geht auch darum, die Gründe für sein eigenes Verhalten und die Emotionen zu verstehen und zu verändern.
Nau.ch: Was ist das Ziel einer Paartherapie?
Birgit Kollmeyer: Das erste Ziel für mich als Paartherapeutin ist es, einen verletzungsfreien Raum zu schaffen, sodass das Paar besser miteinander reden kann als zu Hause. Jede Person soll die eigenen Bedürfnisse mitteilen können und auch die des Gegenübers hören.
Im Gespräch werden keine Vorwürfe gemacht. Jeder redet über sich und äussert seine Gefühle und Wünsche. Die Therapeutin leitet dies an und stellt vertiefende Fragen, sodass sich die Partner besser verstehen können.
Mit welchem Ziel das Paar in die Beratung kommt, ist unterschiedlich. Bei den meisten geht es darum, wie sie wieder miteinander glücklicher werden können. Aber es gibt natürlich auch Paare, die klären wollen, ob die Beziehung überhaupt noch eine Chance hat. Eine gute, nicht-verletzende Trennung kann auch ein Ziel sein.
Nau.ch: Wann betrachten Sie eine Paartherapie als abgeschlossen?
Birgit Kollmeyer: Das Paar bestimmt, wann es die Gespräche beenden möchte. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Paar wieder in einem guten Kontakt ist und Nähe und Vertrauen aufgebaut sind. Oder wenn sich die beiden zutrauen, die nächsten Schritte alleine zu tun und die erlernten Werkzeuge eigenständig anzuwenden. Natürlich können sie jederzeit wiederkommen, wenn erneut Probleme auftauchen.
Nau.ch: Was kann man tun, wenn der Partner keine Therapie machen will?
Birgit Kollmeyer: Wenn die zweite Person unsicher ist, kann man sie auch einfach mal zu einer Sitzung einladen. Sie kann so unverbindlich schauen, wie es ihr gefällt und dann entscheiden, ob sie weitermachen will. Oder sie kann zunächst einmal mit dem Therapeuten telefonieren. Das baut die erste Hürde ab.
Wenn die andere Person auch dies nicht möchte, würde ich das eigene Bedürfnis aufzeigen. Und auch mitteilen, wenn mich Trennungsgedanken quälen. Wichtig ist, dass man nicht mit der Trennung droht, sondern von den eigenen Gefühlen spricht.
Schlussendlich kann man aber niemanden dazu zwingen, eine Paartherapie zu machen. Man kann lediglich aufzeigen, wie man die Situation wahrnimmt und Anstösse geben.
Gewisse Teile einer Therapie kann man auch alleine machen. Man kann zum Beispiel den negativen Kreislauf erarbeiten und den eigenen Anteil selbstkritisch anschauen. In diesen Sitzungen sprechen wir also nicht über die Fehler des anderen, sondern schauen, wie die Person selbst den Kreislauf unterbrechen kann. Denn das ist das Gute an Kreisläufen: Sie können an verschiedenen Stellen durchbrochen werden. Es wird sich auf jeden Fall etwas verändern und in der Regel auch verbessern.
Gewisse Teile einer Therapie kann man auch alleine machen. Man kann zum Beispiel den negativen Kreislauf erarbeiten und den eigenen Anteil selbstkritisch anschauen. In diesen Sitzungen sprechen wir also nicht über die Fehler des anderen, sondern schauen, wie die Person selbst den Kreislauf unterbrechen kann. Denn das ist das Gute an Kreisläufen: Sie können an verschiedenen Stellen durchbrochen werden. Es wird sich auf jeden Fall etwas verändern und in der Regel auch verbessern.