Bergcharaktere: Diese 3 Unikate wurden zu Aushängeschild der Region
Wie «Snowflake» und zwei weitere Schweizer Charakterköpfe vom Fan zum Aushängeschild «ihrer» Bergregion wurden.
Das Wichtigste in Kürze
- Einige Menschen setzen sich mit Herz und Seele für ihre Heimat ein.
- Wir haben drei Personen besucht, die zum Aushängeschild ihrer Region geworden sind.
Wer in der Schweizer Bergen unterwegs ist, sucht neben dem Naturgenuss auch die Swissness. Und die hängt entscheidend von etwas ab: von den Menschen, die für eine Destination stehen und sich für diese mit Herz und Seele einsetzen.
Wir haben drei ganz besondere Vertreterinnen und Vertreter besucht, die als Fan ihrer Destination mittlerweile zu regelrechten «Destinations-Aushängeschildern» geworden sind.
Rita Baggenstos (62), Rigi (SZ)
Wer bei einem Rigi-Ausflug auf Rigi-Scheidegg vorbeikommt und aus rund 1600 Meter über Meer die Aussicht auf die umliegenden Gipfel und den Lauerzersee geniesst, trifft mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Rita Baggenstos. An ihrem «Alpen-Kiosk» kümmert sich die umtriebige Frau mit dem flotten Kurzhaarschnitt und der leuchtend roten Brille um die Gäste.
Ob Älpler-Kaffee oder Alpen-Plättli, Gersauer Chäschüechli, Kuchen oder «Alpen-Pinsa» – alles ist hier selbstgemacht und wird mit viel Freude am Gastgeberin-Sein serviert. «Bei guter Sicht sehen Sie von hier aus sogar Eiger, Mönch und Jungfrau», erklärt Rita Baggenstos. «Und bei Hochnebel ist die Rigi der erste Berg, der aus dem Nebel ragt.» Aber sie sei ohnehin bei jedem Wetter da.
Seit 40 Jahren wohnt die heute 62-Jährige auf der Rigi. Mit nur 15 weiteren Personen gehört sie zu den ständigen Bewohnerinnen von Rigi Scheidegg. Zwölf Jahre arbeitete sie für die Rigi Bahnen, ihr Ehemann war Betriebsleiter der Luftseilbahn Kräbel Rigi-Scheidegg. Kein Wunder, durfte Rita Baggenstos ihre Heimat schon am TV bei «Mini Schwiiz dini Schwiiz» vorstellen.
Aber auch Touristen aus dem Ausland profitieren vom Wissen der Insiderin. Mit diversen Gruppen hat Rita Baggenstos schon Schweizer Traditionen wie das «Cervelat-Bräteln» und das Zubereiten eines hochprozentigen Kaffees überm offenen Feuer geübt.
Fehlt Holz an der Brätelstelle, sorgt Rita Baggenstos für Nachschub, auch zum WC putzen ist sie sich nicht zu schade. «Ich erklären den Leuten auch gerne, welcher Berg welcher ist oder gebe Tipps zur richtigen Wanderausrüstung», erklärt die gebürtige Urnerin.
Eigentlich war der 2022 eröffnete Kiosk als sanfte Altersbeschäftigung nach der Pensionierung gedacht. «Aber jetzt läuft es so gut, es ist fast ein wenig zur Arbeit geworden», sagt Rita Baggenstos. «Momentan ist es ein Ein-Frau Betrieb. Aber mein Mann ist nun pensioniert. Ich bin dran, ihn anzulernen», scherzt sie. Der Alpen Kiosk ist von Mittwoch bis Sonntag von 9 bis 17 Uhr geöffnet.
Heinrich Giesker alias «Snowflake» (77), Engelberg (OW)
Wenn ein älterer Herr mit wehendem Haar, weissem Skianzug und breitem Lächeln im braungebrannten Gesicht durch den Pulverschnee federt, weiss in Engelberg jeder: das ist Snowflake. Der 77-Jährige steht wie kein anderer für die grenzenlose (und alterslose) Freude am Skifahren. «Skifahren ist wie Fliegen, es macht einfach glücklich», sagt der frühere Unternehmer Heinrich Giesker.
Mehr als 150 Tage verbringt Snowflake pro Wintersaison durchschnittlich auf den Pisten und Freeride-Abfahrten von Engelberg. Und weil die Destination mit 2000 Höhenmetern vom Gletscher bis ins Tal eine der längsten Abfahrten der Welt bietet, wurde Snowflake so ganz offiziell zum «Höhenmeter-Millionär». Eine Zeitung nannte ihn schon den «Rekord-Rentner vom Titlis».
Diese Saison hat es Snowflake sogar zum Protagonisten der offiziellen Winterkampagne der Destination Engelberg-Titlis gebracht. Mit sympathischen Kurzvideos macht er Gästen aus aller Welt Lust auf eine extralange Skisaison in Engelberg.
In einer Folge liefert er sich gar ein «Plauschrennen» mit Skistar Marco Odermatt (Markenbotschafter der Titlis Bergbahnen). Wer Snowflake zusieht und zuhört, würde am liebsten gleich selbst die Ski unter die Füsse schnallen und mit einem Jauchzen losbrettern.
Hans-Ueli Hählen (77), Lenk im Simmental (BE)
Als Buchautor, Wanderführer, Redner oder stellvertretender SAC-Hüttenwart: Hans-Ueli Hählen «dient» seiner Heimat Lenk im Simmental in vielerlei Hinsicht. Am meisten ist er wohl aber Geschichtenerzähler und Dialektretter.
Sein Hörbuch «Gschichti us der Lengg» vereint historische und persönliche Begebenheiten und ist im «Lengger Dialekt» gesprochen. Auch Erinnerungen aus seiner Zeit als Bergbauer sind dabei. Es ist ihm wichtig, dass die alte Lenk nicht in Vergessenheit gerät.
Die Bäche, Wasserfälle und Seen aber auch die Geschichte der Gletscher liegen dem gebürtigen Lengger am Herzen. In Vorträgen oder bei Dorfführungen teilt er sein Wissen und seine Liebe zur Heimat mit Gymi-Schülern oder Seniorengruppen aus Zürich oder Fribourg. «Oder ich gehe mit ihnen wandern.»
Ein bis zweimal pro Woche macht er selber eine Tour – im Winter am liebsten eine Skitour, im Sommer erwandert er 4000er oder ist mit dem Bike unterwegs. Zwischendurch engagiert sich der gelernte Schreiner als Bauleiter bei Projekten wie dem Umbau der Wildhornhütte des SAC.
«Ich bin hier geboren, aufgewachsen und meine Familiengeschichte kann ich bis 1601 zurückverfolgen», sagt Hans-Ueli Hählen. Da sei es doch nur logisch, dass er mit Stolz noch zu 99 % den Dialekt seines Heimatortortes rede.
Übrigens gehe man nicht in die Lenk, sondern an die Lenk. Warum? Ursprünglich komme der Ortsname von «das Dorf an der langen Ecke», kurz «Lengg». Folglich gehen man «an die lange Ecke.»
Das aktuelle Projekt von Hans-Ueli Hählen ist übrigens eine Autobiographie. 400 DINA4 Seiten voller Lengger Erinnerungen und Geschichten. Für die Nachwelt allerdings auf Hochdeutsch.