Wenn du diese 4 Sagen kennst, bist du eine echte Berggeiss
Das Wichtigste in Kürze
- Aus der Schweizer Bergwelt sind zahlreiche Sagen und Gruselgeschichten überliefert.
- Sie erzählen von mystischen Geistern und der unbarmherzigen Naturgewalt.
- Die Sagen leben bis heute fort.
Ist es das imposante Bergpanorama, das die Fantasie beflügelt? Oder ist es die Einsamkeit in der Berghütte, die manche zu fantastischen Geschichten anregt?
Sagen aus den Bergen haben es in sich: Gruslig und schaurig schön erzählen sie von einer mythischen Welt und teils unbarmherzigen Natur.
Manche behaupten, diese Sagen seien nicht der Fantasie entsprungen und die Geister würden in den Bergen fortleben. Wer weiss, was in der Abgeschiedenheit der ursprünglichen Bergwelt alles passiert…
Wir haben vier Geschichten ausfindig gemacht.
Wie der Urdensee in Graubünden entstand
Eingebettet in die malerische Landschaft von Tschiertschen im Bünderland liegt der sagenumwobene Urdensee auf 2249 Metern Höhe. An der Stelle, an der heute das kristallklare Wasser des Sees glitzert, stand einst eine Sennhütte. Heute liegt sie auf dem Grund des Gewässers, besagt zumindest die Sage des Urdensees.
Nach alter Überlieferung lebte vor langer Zeit ein hartherziger Senn in jener Hütte. Eines Tages klopfte eine erschöpfte alte Frau an seine Tür und bat, um etwas zu trinken. Doch statt Mitgefühl zeigte der Senn nur Verachtung für die Bettlerin.
Trotz ihrer Verzweiflung blieb die Frau hartnäckig und flehte weiter um Hilfe. Der Senn, von Bosheit getrieben, gab der Frau schliesslich etwas Milch zu trinken. Was die Greisin nicht wusste: Die Milch war vergiftet.
Nachdem sie ihren Weg fortsetzte, überkamen sie bald unerträgliche Schmerzen. Bevor sie den letzten Atemzug tätigte, verfluchte sie den grausamen Senn und seine Alm. Kaum waren die Worte ausgesprochen, zuckte ein Blitz vom Himmel herab und traf die Hütte. Mit einem gewaltigen Donnerschlag versank diese samt dem Senn und seiner roten Kuh in einem neu entstandenen See, dem Urdensee.
Noch heute erzählt man sich, dass der Geist des bösen Senns sein Unwesen am Urdensee treibt. Bei stürmischem Wetter soll er alle sieben Jahre aus den Wellen auftauchen, um seine rote Kuh zu melken. Danach verschwindet er wieder mit lautem Geheul im See.
Sogar einen sichtbaren Beweis für diese Sage gibt es: Mitten im See befindet sich ein dunkler Fleck – angeblich die Überreste der versunkenen Sennhütte. Und wer genau hinsieht, kann sogar noch den alten Pfad erkennen, welcher zur Hütte führte und nun mitten im Wasser endet.
Aufgrund dieser Geschichte trägt das obere Ende des Steilhangs gegen Inner Urden bis heute den Namen «Geisterhang». Der markante Felsblock, der diesen Hang abschliesst, wird als «Geisterstein» bezeichnet. So lebt die Sage vom Urdensee bis heute in den Erzählungen und Ortsnamen weiter.
Das rachsüchtige Sennentuntschi in den Urner Bergen
Die Sage des Sennentuntschis lässt selbst dem härtesten Älpler das Blut in den Adern gefrieren. Es gibt sie in verschiedenen Variationen im gesamten Alpenraum, auch vom Wissenboden im Kanton Uri.
Auf dem Wissenboden waren die Sennen von Sehnsüchten nach ihren Liebsten im Tal geplagt. Doch die Alpwirtschaft war Sache der Männer, für Frauen und Liebschaften gab es keinen Platz.
Die findigen Sennen kamen aber auf die Idee, eine Frauenpuppe aus Stroh herzustellen – liebevoll gestaltet mit einem Holzkopf auf einer Mistgabel, gelben Bändern als Haarersatz und sogar üppigen Brüsten aus Heuballen.
Zunächst waren alle begeistert von ihrem «Sennentuntschi» und behandelten sie wie einen echten Menschen. Doch dann nahmen die Dinge eine unerwartete Wendung...
Die Strohpuppe erwachte zum Leben. Fortan nahm sie am Leben der Sennen teil, tanzte, ass und vergnügte sich mit ihnen. Als es für die Sennen Zeit war, ins Tal abzusteigen, wollten sie das Tuntschi zurücklassen. Doch diese hatte andere Pläne und wollte einen der Sennen zu ihrem Vergnügen zurückbehalten.
Während der Meistersenn zurückblieb, kehrten die restlichen Sennen so schnell als möglich zurück ins Tal. Als sie später auf die Alphütte zurückblickten, erschraken sie zutiefst. Das Tuntschi hatte dem Senn bei lebendigem Leib die Haut abgezogen und zum Trocknen auf das Dach der Alphütte genagelt.
Was danach aus dem Sennentuntschi wurde und ob es noch immer sein Unwesen treibt, ist nicht bekannt. 2010 wurde die Geschichte von Michael Steiner im Horrorfilm «Sennentuntschi» erzählt.
Gefürchiger Naturschützer aus Eis: Der Rollibock aus dem Wallis
Die Legende vom furchteinflössenden Rollibock zählt zu den ältesten Geschichten, die im Wallis erzählt werden. Vor vielen Jahren begab sich ein ehrgeiziger Jäger aus dem Fieschertal auf die Suche nach wertvollen Kristallen im Gebiet des Märjelensees am Grossen Aletschgletscher. Beim Eggishorn wurde er fündig.
Doch in seiner Gier zerstörte er auch viele der Edelsteine. Am nächsten Tag machte er sich hungrig auf die Jagd und schoss einen prachtvollen Bock. Erneut war er von Gier geleitet: Er tötete auch ein Muttertier und ihr wehrloses Junges mit gebrochenem Bein – doch nicht ohne Konsequenzen.
Der Himmel verdunkelte sich, ein eisiger Sturm zog auf. Der Jäger schulterte seine Beute und brach sofort auf. Bald fand er sich an den Ufern des Märjelensees wieder – genau dort, wo das Wasser bis zum Grossen Aletschgletscher reichte.
An dieser Stelle traf der Jäger auf einen alten Fährmann. Dieser bot ihm an, ihn sicher über das stürmische Gewässer zu bringen. Doch statt ans rettende Ufer steuerte der Alte direkt in den Gletscher hinein.
Mit einem Mal wuchs der alte Mann zu gigantischen Ausmassen heran und nahm die Gestalt des gefürchteten Rollibocks an. Sein langes Gehörn, die funkelnden Augen und sein von Eisschollen bedeckter Körper waren furchteinflössend.
Mit strengem Blick und donnernder Stimme brüllte er: «Warum zerstörst du mein Reich? Was habe ich dir getan?» Der Jäger, von Angst und Scham überwältigt, konnte nichts erwidern. Im nächsten Moment versank er mit dem Boot im eisigen Wasser des Märjelensees.
Noch heute wird behauptet, dass man bei stürmischem Wetter am Ufer des Märjelensees einen Mann in altertümlicher Kleidung sehen kann – auf der Suche nach einem Fährmann, der ihn ans rettende Ufer bringt.
Und was ist mit dem Rollibock? Dieser soll auch heute noch daran erinnern, dass wir sorgsam mit der Natur umgehen sollen. Doch den Ruf als furchteinflössende Gestalt hat er verloren und ist sogar zu einer Art Maskottchen der Aletsch Arena geworden. Vom 19. Juli bis zum 17. August 2024 wird in Fiesch das Freilichtspiel RolliBock aufgeführt.
Wie die erste Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht gebaut wurde
Die Reise durch das Gotthardmassiv in Richtung Süden ist heute keine Herausforderung mehr. Doch vor vielen Jahrhunderten stellte die zerklüftete Schöllenenschlucht im Kanton Uri eine fast unüberwindbare Hürde dar. Eine alte Sage erzählt, wie es zur Errichtung der ersten Brücke über die Reuss kam.
Immer wieder versuchten die Bewohner der Urner Alpen, einen Durchgang durch die Schöllenschlucht zu schaffen und eine Brücke über die reissende Reuss zu bauen. Dadurch sollte ein weniger gefährlicherer Weg ins Tessin und nach Italien ermöglicht werden.
Alle Versuche blieben erfolglos, bis die Bewohner beschlossen, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen, der übermenschliche Kräfte und Geschick besass.
Dieser baute die Brücke dann auch innerhalb eines Tages, unter der Bedingung, dass der Erste, der die Brücke betritt, ihm gehören sollte. Doch die Urner waren schlau und schickten als erste Seele einen Ziegenbock über die Brücke. Der Teufel tobte ab dieser List und machte sich gleich daran, einen grossen Felsbrocken zu finden, um die Brücke wieder zu zerstören.
Wie viele der Bergsagen kanntest du?
Aber ein altes Mütterchen kreuzte seinen Weg und machte schnell das Kreuzzeichen gegen den riesigen Felsbrocken – dieser blieb im Rasen stecken und konnte vom Teufel nicht mehr bewegt werden. Schnell merkte der Teufel: Mit diesen Urnern ist nicht zu spassen. Beschämt fuhr er zurück zur Hölle.
Tatsächlich wurde 1595 eine erste Steinbrücke errichtet – ihre Fundamente sind heute noch sichtbar. 1799 wurde die Teufelsbrücke in einer Schlacht stark zerstört. Die zweite Teufelsbrücke wurde zwischen 1820 und 1830 errichtet und ist bis heute erhalten. Ob auch hier der Teufel seine Klauen im Spiel hatte, ist nicht dokumentiert.