Die Marmorierte Baumwanze frisst sich durch Europa
Seit einigen Jahren gehört ein chinesischer Import zum Schweizer Sommer wie italienische Gelati und brasilianische Flipflops. Seinen Eroberungszug quer durch Europa startete er dort, wo Schweizer Start-ups besonders gut gedeihen: In Zürich. Die Rede ist von der Marmorierten Baumwanze – dem «Stinkkäfer».
Das Wichtigste in Kürze
- Die Marmorierte Baumwanze vermehrt sich in Europa in Windeseile.
- Eingeschleppt wurde sie wohl von China nach Zürich.
- Der Schädling dürfte künftig auch in der hiesigen Landwirtschaft Ernteausfälle verursachen.
Die Marmorierte Baumwanze trägt im Volksmund einen wenig schmeichelhaften Übernamen: Stinkkäfer! Zu verdanken hat der Schädling seinen Ruf einem übel riechenden Sekret, das er absondert, wenn er gepackt oder zerdrückt wird.
Seit einigen Sommern tritt dieser Stinkkäfer in der Schweiz und weiteren europäischen Ländern immer zahlreicher in Erscheinung. Landet und verköstigt sich in den Pflanzenkisten oder Beeten von Balkons und Gärten. Vor allem in urbanen Gebieten fühlt er sich wohl, weil er da geeignete Plätze zum Überwintern vorfindet.
Geburtsort: Downtown Switzerland
Wie die «Tageswoche» in einem lesenswerten Artikel berichtet, konnten Biologen im Delsberger Forschungszentrum Cabi stichhaltige Beweise dafür finden, dass der asiatische Eindringling vom Zürcher Seefeld aus seine Fresstour durch Europa angetreten hat. Geschlüpft im dortigen Chinagarten hat er sich via Basel, Bern, Schaffhausen, St.Gallen und übers Tessin bis nach Italien weiterverbreitet. Von Stadt zu Stadt getragen wurde er wohl per Anhalter in PWs oder Frachtkisten. Denn obwohl die Wanze fliegen kann, ist seine Flugtauglichkeit lediglich von beschränkter Weite.
Auch wenn sich der kaum fingernagelgrosse Schädling hierzulande genüsslich über Obst und Pflanzen hermacht, ist er in der Deutschschweiz noch nicht zur Plage geworden. Ganz anders im Tessin und in Italien. Dort beklagen sich Bauern vermehrt über grosse Ernteausfälle. In Kanada und den USA – wo sich die Wanze schon früher ausbreitete – verlieren Pfirsichproduzenten jährlich rund die Hälfte ihrer Ernten. Und in Georgien – wohin er wohl im Zuge der Olympischen Winterspiele im nahelegenden Sotschi eingeschleppt wurde – vernichtete er in den vergangenen zwei Jahren einen Drittel der heimischen Haselnussernte.
Ernteausfälle die Folge
Die Baumwanze besitzt ein beeindruckendes Fortpflanzungsvermögen. Kaum geschlüpft sind die stets genau 28 Nymphen innert sechs bis sieben Wochen geschlechtsreif. In Ländern mit langen Wärmeperioden kann der Schädling so innert einem Jahr zwei Generationen das Leben ermöglichen.
Da der Stinkkäfer in unserem Gefilde keinen natürlichen Feind kennt, müsse sich gemäss den Forschern künftig wohl auch die Deutschschweiz auf grössere landwirtschaftliche Ausfälle gefasst machen. Der Gestank für die Geruchssensoren der städtischen Wohnbevölkerung dürfte somit wohl das geringere Übel sein.