Grindelwald: Archäologen auf den Spuren der ersten Bergführer

Seit über 150 Jahren begleiten Grindelwalder Bergführer Gäste in die Berge. Berner Archäologen heften sich an ihre Fersen.

Bergwanderer auf dem Grindelwaldgletscher bei der Station Eismeer der Jungfraubahn, Berner Oberland, Schweiz, um 1915.
Bergwanderer auf dem Grindelwaldgletscher bei der Station Eismeer der Jungfraubahn, Berner Oberland, Schweiz, um 1915. - PHOTOGLOB

Das Wichtigste in Kürze

  • Berner Forschende befassen sich mit den ersten Grindelwalder Bergführern.
  • Bereits vor 150 zeigten Jäger und Hirten Interessierten die Berner Alpen.

Alte Chroniken berichten über Gletscherhirten auf dem Zäsenberg BE, einer Alp auf 1850 Meter über Meer hinter dem Eiger, die nur über den Unteren Grindelwaldgletscher erreichbar ist. Spätestens seit dem Hochmittelalter wurde am Zäsenberg Vieh gesömmert.

Im Mittelalter wäre allerdings niemand auf die Idee gekommen, Berge zu besteigen, galten sie doch als Sitz böser Mächte. Erst die Aufklärung brach diesen Bann. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren es vor allem Naturforscher, die sich in die eisigen Höhen vorwagten. In der zweiten Hälfte bahnte sich der moderne Alpinismus im Zeichen des Sports und des Tourismus seinen Weg.

Idealer Touren-Ausgangspunkt

Die Region Grindelwald lockte schon damals zahlreiche Bergbegeisterte an. Der Zäsenberg mitsamt den gebirgsgewohnten Hirten erwies sich als idealer Ausgangspunkt für Vorstösse ins Hochgebirge. Die Gletscherhirten auf dem Zäsenberg mögen zunächst den Kopf geschüttelt haben über diese skurrilen Städter, die bei ihnen vorbeikamen und unbedingt auf Berge kraxeln wollten. Was gab es da oben in Eis und Schnee denn schon zu holen?

Doch bald einmal merkten sie, dass sich als Führer oder Träger ein Zubrot zum kargen Einkommen aus der Berglandwirtschaft verdienen liess, wie Stefan Hächler, Sammlungsleiter des Alpinen Museums der Schweiz in Bern, erklärt.

Einfachste Behausungen

Der Alpenforscher Franz Josef Hugi (1791-1855) machte die Bekanntschaft der Gletscherhirten, als er auf dem Zäsenberg geologische und glaziologische Untersuchungen anstellte. In seiner «Alpenreise» von 1830 berichtete Hugi, die Genügsamkeit der «wortkargen Hirten» übersteige alle Begriffe und erinnere an Urzeiten.

Der Pfarrer und Berggänger Friedrich Lehmann beschrieb 1816 eine Zäsenberghütte. Diese sei «nicht viel mehr als eine natürliche Balm unter einem mächtig übergewölbten Felsblock». In diesen einfachen Behausungen lebten die Gletscherhirten und sömmerten vor allem Schafe und Ziegen.

Initialen aus dem 19. Jahrhundert

Die Älpler und Bergführer hinterliessen auf dem Zäsenberg Spuren, die bis heute sichtbar sind. Auf Initiative des Grindelwalder Lokalhistorikers Peter Bernet führten zwei Mitarbeitende des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern im September 2017 eine erste Aufnahme der diversen alpwirtschaftlichen und alpinistischen Überreste durch. Dabei stiessen sie auf verschiedene Gebäudereste, mehrheitlich im Gebiet des ehemaligen Gletscherrandes. Heute hat sich der Gletscher stark zurückgezogen.

Bei den Funden handelt es sich zumeist um Trockenmauerwerk von ein- oder zweiräumigen Bauten, wie dem Jahrbuch 2018 des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern zu entnehmen ist. Auch Hinweise auf eine Feuerstelle fanden sich. Feuer war dort oben ein wahrer Luxus, musste das Holz doch über den Gletscher hochgetragen werden.

Wie alt die Mauerreste sind, konnten die Archäologen an dem einen Tag, den sie im Herbst 2017 auf dem Zäsenberg verbrachten, nicht feststellen. Eingeritzte Zeichen aus dem 19. Jahrhundert zeigen aber, dass die Gebäude schon damals bestanden haben müssen.

Christen Michel, Christian Almer und Melchior Anderegg

Und sie geben möglicherweise auch Aufschluss über die Männer, die dort oben hausten. Zu ihnen gehörten einige der bekanntesten Bergführer der Pionierzeit des Alpinismus. Das Schriftzeichen «CM» in einem gemauerten Unterstand deuten die Archäologen als Christen Michel (1817-1880). Michel wurde mit der Erstbesteigung des Schreckhorns im Jahr 1861 berühmt.

Der weit herum Bekannteste der Gletscherhirten war Christian Almer (1826-1898). Ihm gelangen als Bergführer 45 Erstbesteigungen, darunter jene des Mönchs (1857) und des Eigers (1858). Auch der oft als «König der Bergführer» bezeichnete Haslitaler Melchior Anderegg (1828-1914) dürfte den Zäsenberg bestens gekannt haben. Die Berner Archäologen sind überzeugt, dass die Gletscheralp noch viele weitere Funde und Erkenntnisse bereithält, wie sie in ihrem Jahrbuch schreiben.

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