Kapitol in Washington vor einem Jahr gestürmt
Der Sturm auf das Kapitol jährt sich am 6. Januar zum ersten Mal. Für die betroffenen Sicherheitsleute sind die Unruhen von damals ein «Schandfleck».
Das Wichtigste in Kürze
- Vor fast einem Jahr stürmte ein aufgepeitschter Mob das US-Kapitol.
- Dieser wollte die Wahl von Joe Biden als neuen US-Präsident nicht anerkennen.
- Bei den Unruhen wurden auch Sicherheitskräfte verletzt.
Aus Washington gingen am 6. Januar 2021 Bilder um die Welt, die man für unvorstellbar gehalten hatte: Ein gewalttätiger Mob stürmte den Sitz des US-Kongresses. Der Tag hinterlässt bleibenden Schaden - für jene, die mittendrin waren, und für das Land als Ganzes.
Helden des Kapitols
Aquilino Gonell kämpfte im Kapitol um sein Leben. Der Polizist stand einem wütenden Mob gegenüber und versuchte verzweifelt, die Randalierer zurückzudrängen. Es sei wie in einer «mittelalterlichen Schlacht» gewesen, sagte Gonell später. Seine Kollegen und er hätten sich Zentimeter für Zentimeter gegen den brutalen Mob verteidigen müssen.
Sie wurden geschlagen, getreten, mit Hämmern und Stöcken malträtiert, mit Chemikalien besprüht. «Ich hätte sterben können an jenem Tag. Nicht ein Mal, sondern viele Male», so der Beamte der Polizei des US-Kapitols.
Gonell überlebte. Doch er trug Blessuren davon, die noch immer nicht verheilt sind und vielleicht nie verschwinden werden. Das Gleiche gilt für die amerikanische Demokratie. An jenem 6. Januar 2021 geschah, was sich viele nie hätten vorstellen können:
Eine fanatische Menschenmenge erstürmte den Sitz des US-Kongresses, angepeitscht von Donald Trump, dem amtierenden Präsidenten. Ein beispielloser Angriff auf das Herzstück der amerikanischen Demokratie. Der unverfrorene Versuch, ein Wahlergebnis zu kippen. Und ein kolossales Versagen des US-Sicherheitsapparates.
Trump wiegelt Anhänger auf
An jenem Mittwoch war der Kongress im Kapitol in Washington zusammengekommen, um den Erfolg Joe Bidens offiziell zu bestätigen. Eigentlich eine Formalie. Doch Wahlverlierer Trump sah die Zusammenkunft als letzte Chance, sich gegen seine Niederlage aufzulehnen und das Ergebnis umzukehren.
Seine über Monate orchestrierte Kampagne, die Wahl als Betrug darzustellen, fand hier ihren vorläufigen Höhepunkt. Bei einer Rede wiegelte Trump seine Anhänger auf, zum Kapitol zu marschieren und «wie der Teufel» zu kämpfen. Danach sah er vor dem Fernseher im Weissen Haus tatenlos zu, wie seine Unterstützer den Kongresssitz stürmten.
Und Polizisten bis zur Erschöpfung kämpften und Senatoren sowie Abgeordnete unter Schreibtischen kauernd um ihr Leben bangten. Fünf Menschen kamen ums Leben, darunter ein Polizeibeamter.
Sturm auf das Kapitol als Symbol für eine geschwächte Demokratie
Inzwischen ist klar, wie viele Warnungen es vorab gab. Wie viele Anzeichen hinter den Kulissen ein Desaster erahnen liessen, ohne dass der hochgerüstete US-Sicherheitsapparat die nötigen Vorkehrungen traf. Inzwischen ist klar, wie viele Trump-Getreue, selbst aus seinem engsten Umfeld, versuchten, den damaligen Präsidenten zu bewegen, einzuschreiten. Und die Gewalt zu beenden, ohne Erfolg.
Klar ist auch, dass jener Tag das Selbstverständnis der USA angekratzt und ihr Aussenbild beschädigt hat. Gonell formulierte es so: «Es ist ein Schandfleck für unsere Geschichte und unser moralisches Ansehen im In- und Ausland.»