TV-Duell: Panik bei Demokraten nach Bidens Desaster-Debatte
Der US-Präsident sollte beim TV-Duell gegen Trump Zweifel wegen seines Alters abschütteln. Das Gegenteil passiert. Bei den Demokraten geht nun die Angst um.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Donnerstag fand in den USA das erste TV-Duell zwischen Biden und Trump statt.
- Vor allem der US-Präsident hat keinen guten Eindruck gemacht.
- Für die Demokratische Partei stellt sich die Frage, ob er ihr Kandidat bleiben sollte.
Joe Biden (81) kämpft. Mit Wörtern. Mit Zahlen. Mit seiner Stimme.
Der US-Präsident steht neben Donald Trump (78) auf der Fernsehbühne in Atlanta, Georgia – krächzend. Er versucht sich an einer Antwort zu Steuern, Staatsschulden und der Wirtschaftslage. In einem Satz verwechselt er Billionäre und Milliardäre, im nächsten Millionen und Milliarden. Zwischendurch zwinkert er nervös.
Dann beginnt er einen Satz, der einfach nicht enden will: «Wir wären in der Lage, dafür zu sorgen, dass all die Dinge, die wir tun müssen – Kinderbetreuung, Altenpflege, dafür sorgen, dass wir unser Gesundheitssystem weiter stärken», sagt der 81-Jährige, «dafür sorgen, dass wir in der Lage sind, jeder einzelnen Person...».
Biden hat den Faden verloren.
Er schliesst die Augen und setzt wieder an: «Anspruch haben auf... für das, was ich mit dem..., dem Covid...» Wieder schliesst er die Augen und räuspert sich. «Entschuldigung, ähm.» Der mächtigste Mann der Welt schaut nach unten auf sein Stehpult. «Mit dem Umgang mit... allem, was wir zu tun haben...» Der Demokrat blickt weiter auf das Pult hinab.
Trump dreht sich zu ihm, mit fragendem Blick.
Schmerzt selbst beim Zuschauen
Die Pause, die selbst beim Zuschauen schmerzt, dauert an. Dann schaut Biden auf, schiebt etwas Unverständliches zum Gesundheitssystem nach, bevor der CNN-Moderator Jake Tapper ihn abwürgt und sagt: «Danke, Herr Präsident.» Bidens Redezeit ist abgelaufen. Die Videos davon werden zum Gespött auf den sozialen Medien.
Es ist aber nur einer von vielen Momenten im ersten TV-Duell der beiden US-Präsidentschaftsbewerber in diesem Wahlkampf, in dem Biden fahrig daherkommt. Er wirkt immer wieder durcheinander, seiner Aufgabe bei der Debatte schlicht nicht gewachsen. Dass neben ihm ein verurteilter Straftäter auf der Bühne steht, gerät da in den Hintergrund.
Biden gibt sich zwar angriffslustig, geht seinen Kontrahenten mehrfach ungewöhnlich scharf an, verunglimpft ihn als «Verlierer», «Jammerlappen», einmal sogar als jemanden mit der «Moral eines Strassenköters». Doch kraftvoll wirkt das nicht.
Mit heiserer und teilweise leiser Stimme quält er sich durch diverse Antworten, die öfter mal unzusammenhängend sind. Zwischendurch gibt es dann Momente, in denen er mit offenem Mund ins Leere blickt.
Reaktionen auf Auftritt sind verheerend
Die Reaktionen auf den Auftritt des demokratischen Spitzenmannes sind verheerend. Auch und gerade in der eigenen Partei.
Bidens Alter und die Debatte über seinen körperlichen und mentalen Zustand sind ohnehin sein grösstes Problem im Wahlkampf. Bei diesem ersten Aufeinandertreffen mit Trump seit vier Jahren hätte er sich bewähren sollen, den Menschen im Land zeigen, dass er trotz seiner 81 Jahre bestens in der Lage ist, das Land zu führen und Trump zu schlagen.
Genau das gelingt nicht.
Selbst Bidens Vize Kamala Harris räumt nach der Debatte vor laufender Kamera ein: «Das war ein holpriger Start, das ist für jeden offensichtlich.» Doch der Schluss sei stark gewesen. Letztere Einschätzung wiederum ist für viele Zuschauer weniger offensichtlich. In einer ersten Schnell-Umfrage des Senders CNN ist Trump der klare Gewinner, mit weitem Abstand.
«Demütigung» und «Wahlkampf-Desaster»
Selbst politische Kommentatoren, die Biden üblicherweise gewogen sind, äussern sich entsetzt über die Performance des Präsidenten, sprechen von einer Demütigung und einem Wahlkampf-Desaster. «Es wird Diskussionen darüber geben, ob er weitermachen wird», sagt etwa David Axelrod, Chefstratege von Bidens früherem Chef, Ex-Präsident Barack Obama.
Und hinter vorgehaltener Hand sprechen Demokraten sofort nach der Debatte tatsächlich über diese – eigentlich unvorstellbare – Frage: Ob ihr Frontmann derart schwach ist, dass sie rund vier Monate vor dem Wahltag einen alternativen Kandidaten finden müssen.
«Es ist schwer zu argumentieren, dass Biden unser Kandidat sein sollte», zitiert CNN einen nicht genannten Parteifunktionär. Andere sprechen von blanker «Panik» in der Partei.
Aber ginge es überhaupt, Biden noch aus dem Rennen zu nehmen? Theoretisch ja. Ende August treffen sich die Demokraten zu einem Krönungsparteitag in Chicago. Eigentlich, um Biden offiziell als ihren Präsidentschaftskandidaten zu nominieren. Doch dort könnte die Partei noch kurzfristig umsatteln und einen neuen Kandidaten festlegen.
Ein Plan B der Demokraten?
Dafür müsste Biden allerdings aus freien Stücken aussteigen. Er hat formal die Vorwahlen seiner Partei gewonnen – und an deren Ergebnisse sind die Delegierten beim Parteitag vorerst gebunden. Der US-Präsident könnte aber etwa gesundheitliche oder familiäre Gründe geltend machen, um sich gesichtswahrend zurückzuziehen.
Ob Biden dazu bereit wäre, ist fraglich. Und das noch grössere Problem: Einen echten Plan B hat die Partei nicht. Sie hat es versäumt, einen Nachfolger aufzubauen.
Das muss sich allen voran auch Biden zum Vorwurf machen lassen. Der siebenfache Grossvater behauptet von sich, er sei die am besten qualifizierte Person für den Job. Nur er könne Trump schlagen. Dies wirkt nun fast vermessen.
Harris wäre natürliche Nachfolge
Die natürliche Nachfolge wäre Harris gewesen. Doch sie blieb in ihrem Vizepräsidentenamt bislang blass, ist kaum sichtbar und hat selbst mit miesen Beliebtheitswerten zu kämpfen. Da sie als erste Frau und erste Schwarze auf das Amt aufgerückt ist, wäre es aber schwierig gewesen, an ihr vorbei einen Ersatzkandidaten zu etablieren.
Und nun ist es zu spät.
Auch wenn die Option des Biden-Exits theoretisch denkbar wäre, so wäre es politisch wohl eher aussichtslos. Einen anderen Demokraten innerhalb von vier Monaten auf nationaler Bühne als Alternative für das Präsidentenamt zu etablieren, der ähnlich bekannt ist wie Trump, scheint kaum möglich.
Trumps Chancen, wieder ins Weisse Haus einzuziehen, waren somit nie grösser.