Baerbock sieht keine Absicht Israels zum Völkermord in Gaza
Bundesaussenministerin Annalena Baerbock sieht keine Absicht zum Völkermord in Israels militärischem Vorgehen im Gazastreifen.
Einen Tag vor der Anhörung des Internationalen Gerichtshofs zu Genozid-Vorwürfen gegen Israel im Gaza-Krieg hat sich Bundesaussenministerin Annalena Baerbock hinter den Verbündeten gestellt. Sie sehe in Israels militärischem Vorgehen im Gazastreifen keine Absicht zum Völkermord, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch bei einem Besuch in Israels Nachbarland Libanon. Baerbock sicherte der libanesischen Armee Unterstützung in Höhe von 15 Millionen Euro zu. Im Roten Meer kam es kurz vor ihren Gesprächen zu einem der grössten Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen auf den Schiffsverkehr.
Zu dem am Donnerstag beginnenden Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag sagte Baerbock, es sei Fakt, dass Völkermord per Definition die Absicht voraussetze, Angehörige einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten. «Diese Absicht kann ich bei Israels Selbstverteidigung gegen eine bewaffnete Terrororganisation der Hamas nicht erkennen», sagte die Grünen-Politikerin. Israel muss sich erstmals wegen des Vorwurfs von Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten.
Entscheidung zum Eilantrag wird in einigen Wochen erwartet
Südafrika hat das Land vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen verklagt. Um den Vorwurf zu belegen, ist es jedoch erforderlich, die Absicht zum Genozid nachzuweisen. Der Völkerrechtsprofessor Holger Hestermeyer von der Diplomatischen Akademie Wien bezeichnete das im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur als «Herzstück» des Genozid-Vorfwurfs. Es gebe aber in dem Verfahren noch weitere Vorwürfe, die weniger schwer zu belegen seien, fügte er hinzu.
Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind infolge der israelischen Militäreinsätze seit Kriegsbeginn 23'357 Menschen getötet worden. Zudem wurden demnach fast 59'401 weitere Menschen verletzt. Die Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Zunächst müssen die Richter über einen Eilantrag Südafrikas entscheiden, das die sofortige Einstellung des Militäreinsatzes im Gazastreifen fordert. Am Donnerstag hat zunächst Südafrika das Wort. Am Freitag wird Israel auf die Klage reagieren. Ein Urteil zum Eilantrag wird in einigen Wochen erwartet. Ein Hauptverfahren zum Völkermord-Vorwurf kann sich über Jahre hinziehen.
Israelischer Politiker bekräftigt Forderung: Gaza niederbrennen
Ein israelischer Politiker forderte erneut, Gaza niederzubrennen. Der rechte Knesset-Abgeordnete von der Regierungspartei Likud, Nissim Vaturi, verteidigte am Mittwochmorgen im Gespräch mit dem Radiosender Kol Barama seinen inzwischen gelöschten Beitrag auf der Onlineplattform X (vormals Twitter). Vor knapp anderthalb Monaten schrieb Vaturi: «Gaza jetzt niederbrennen und nicht weniger!» In dem Radiointerview sagte Vaturi, dass er seinen X-Post nicht bereue.
Vaturi ist auch ein stellvertretender Sprecher des Parlaments. Seine Äusserungen sorgten für Aufregung. In sozialen Medien reagierten viele Nutzer auf das Radiointerview. Vor allem der Zeitpunkt seiner Worte löste Empörung aus.
Israels Armee setzt Angriffe in Chan Junis und Zentrum von Gaza fort
Die israelische Armee setzte unterdessen ihre Angriffe in der Stadt Chan Junis und im Gebiet des Flüchtlingsviertels Al-Magasi im Zentrum des Gazastreifens fort. Israel reagiert mit seinen Einsätzen auf das schlimmste Massaker in seiner Geschichte. Am 7. Oktober töteten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen in Israel mehr als 1200 Menschen. Israel geht davon aus, dass noch 136 Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden.
25 davon sind vermutlich nicht mehr am Leben. Wie das israelische Militär am Mittwoch mitteilte, wurden im Laufe des vorangegangen Tages rund 150 Ziele der islamistischen Terrororganisation Hamas angegriffen. Insbesondere in Chan Junis, der grössten Stadt im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens, ist die Armee nach eigenen Angaben gegen Hamas-Terroristen vorgegangen und hat Dutzende getötet.
Im Flüchtlingslager Al-Magasi seien zudem 15 unterirdische Tunnelschächte freigelegt worden. Bei weiteren Einsätzen in dem Gebiet im Zentrum des Gazastreifens entdeckten die Truppen ausserdem Raketenwerfer, Drohnen und Sprengsätze, wie das Militär weiter mitteilte. In Al-Magasi leben nach Angaben des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge UNRWA mehr als 33'000 Menschen auf einer Fläche von 0,6 Quadratkilometern.
Grossangriff der Huthi-Rebellen im Roten Meer
Bei den Huthi-Angriffen im Roten Meer wurden 18 Drohnen und drei Raketen von Einheiten der USA und Grossbritanniens abgefangen, wie das zuständige US-Regionalkommando mitteilte. Die Geschosse seien aus den von den Huthi-Rebellen kontrollierten jemenitischen Gebieten in das südliche Rote Meer abgefeuert worden, teilte das US-Regionalkommando weiter mit. «Die Attacke stellte nach jetziger Kenntnis den umfangreichsten Angriff der Huthis auf den internationalen Schiffsverkehr seit Mitte Oktober dar», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin.
«Dieser Angriff und die anderen Angriffe, die anhaltenden Angriffe, zeigen, dass die Huthis klar auf Eskalation gegenüber der internationalen Handelsschifffahrt sowie gegenüber den Schiffen unserer Partner und Verbündeten in der Region setzen», sagte er. Seit Ausbruch des Gaza-Krieges zwischen Israel und der islamistischen Hamas greifen die Huthis immer wieder Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung im Roten Meer an. Auch greifen die Rebellen Israel immer wieder direkt mit Drohnen und Raketen an.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte am Mittwoch in Berlin einen Bericht des «Spiegel», nach dem der Export von 150 Luft-Luft-Lenkflugkörpern des Typs Iris-T an Saudi-Arabien genehmigt wurde. Laut «Spiegel» geht dies aus einer Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums an den Wirtschaftsausschuss des Bundestags hervor. Die Nachricht kommt kurz nach Aussagen aus der Bundesregierung, nach denen Saudi-Arabien wegen seiner Annäherung an Israel auf grünes Licht der Bundesregierung für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets hoffen darf.