Maas stellt baldigen Libyen-Gipfel in Berlin in Aussicht
Bei der Krise in Libyen mischen jetzt viele mit: In Istanbul rufen Erdogan und Putin zur Waffenruhe auf, in Brüssel spricht der deutsche Aussenminister mit dem libyschen Premier. Dessen Erzfeind ist in Rom. Und auch in Kairo ist der Konflikt Thema. Gibt es bald eine Lösung?
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesaussenminister Heiko Maas hat ein baldiges Gipfeltreffen zur Libyenkrise in Berlin in Aussicht gestellt.
Libyens international anerkannter Regierungschef Fajis al-Sarradsch habe bei Gesprächen in Brüssel am Mittwoch seine Unterstützung für den «Berliner Prozess» erklärt - insbesondere für einen Waffenstillstand, ein Waffenembargo sowie einen politischen Prozess unter Führung der Vereinten Nationen. «Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir demnächst entscheiden können, ob wir in wenigen Wochen in Berlin auch einen Gipfel zu Libyen ausrichten werden», sagte der SPD-Politiker.
Die Bundesregierung bemüht sich im Berliner Prozess seit Monaten um eine politische Lösung für Libyen. Eine Konferenz mit internationalen Konfliktparteien war eigentlich schon für Ende 2019 angedacht und dann auf Januar geschoben worden.
In Libyen herrscht seit dem vom Westen unterstützten Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi 2011 Bürgerkrieg. Die Regierung von Al-Sarradsch kämpft mit dem einflussreichen General Chalifa Haftar um die Macht. Al-Sarradsch wird unter anderem von der Türkei und Katar unterstützt. Russland, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate, unter anderem, stehen aufseiten Haftars.
Maas hatte Al-Sarradsch zusammen mit dem EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell getroffen. Der sagte nach dem Treffen, die EU sei bereit, die Mittel bereitzustellen, um die Umsetzung eines Waffenstillstands sicherzustellen und den politischen Prozess zu begleiten.
Für Europa ist der Krisenherd am Mittelmeer von grosser Bedeutung. So beginnen von Libyen aus viele Asylsuchende ihre gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer in Richtung EU. Dort befürchtet man zudem eine Verschärfung der Terrorgefahr.
Das Thema Libyen war am Mittwoch aber auch Thema in einer ganzen Serie weiterer Initiativen, Treffen und Gespräche.
Am späten Nachmittag mahnten in Istanbul der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin eine Waffenruhe an. Die sich verschärfende Situation in Libyen untergrabe die Sicherheit in der weiteren Nachbarschaft, im ganzen Mittelmeergebiet und in Afrika. Sie fördere unter anderem Migrationsbewegungen, die Verbreitung von Waffen und Terrorismus, hiess es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Deshalb habe man beschlossen, «die Initiative zu ergreifen und als Vermittler alle Parteien in Libyen dazu aufzufordern, die Feindseligkeiten am 12. Januar um 00.00 Uhr einzustellen (und) eine nachhaltige Waffenruhe zu verkünden».
Die solle helfen, «die Situation auf dem Boden zu stabilisieren und das alltägliche Leben in Tripolis und anderen Städten zu normalisieren und sich sofort um einen Verhandlungstisch zu versammeln», hiess es weiter. Russland und die Türkei betonten ausserdem, dass sie den Berliner Prozess unterstützen.
Zuvor hätten sich Erdogan und Putin in Istanbul zunächst in einem Vier-Augen-Gespräch rund eineinhalb Stunden lang unterhalten, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ein weiteres Treffen zusammen mit den Verteidigungs- und Aussenministern habe etwa eine halbe Stunde gedauert.
Erdogan hatte Sonntagnacht mitgeteilt, dass die Türkei erste Soldaten nach Libyen entsandt habe, um die Regierung von Fajis al-Sarradsch in Tripolis zu unterstützen - ein Schritt, der von mehreren Seiten, unter anderem von der EU, aber auch Russland, kritisiert worden war. Am Mittwoch hiess es in einem Bericht der Zeitung «Hürriyet», dass bisher 35 türkische Militärs dort angekommen seien. Kämpfen sollen sie nicht. Erdogan sprach von Koordinationsaufgaben. Zuvor sollen allerdings nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bereits mindestens 300 syrische Rebellen, die von der Türkei unterstützt werden, in Tripolis angekommen sein.
General Haftars Truppen wollen verhindern, dass türkische Soldaten in Libyen Fuss fassen. Mit der Einnahme der Küstenstadt Sirte würden sie türkische Truppen auch davon abhalten, dort die Luftwaffenbasis und den Hafen zu nutzen, sagte ein Sprecher von Haftars Libyscher Nationalarmee (LNA) der Zeitung «Al-Ittihad». Die LNA hatte am Montag erklärt, Sirte unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Die Stadt liegt etwa auf halber Strecke zwischen Tripolis und Bengasi.
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte empfing Haftar zudem überraschend in Rom, wie offizielle Stellen bestätigten. Details aus dem fast dreistündigen Treffen wurden zunächst bekannt. Ein für den Abend erwarteter Besuch Al-Sarradschs sollte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa dagegen doch nicht stattfinden. Rom hat als frühere Kolonialmacht und als Nachbarland historisch enge Verbindungen nach Libyen. Das Küstenland spielt im Zusammenhang mit der Migration aus Afrika nach Europa eine wichtige Rolle.
Bei einem Treffen in Kairo drängten die Aussenminister Ägyptens, Frankreichs, Italiens, Griechenlands und Zyperns auf den politischen Prozess für Libyen. Die Minister der Mittelmeer-Länder kamen auf Einladung Ägyptens zusammen, einem der wichtigsten Unterstützer Haftars in dem Konflikt.
Die Kämpfe in Libyen müssten beendet werden, sagte der ägyptische Aussenminister Samih Schukri. Die im November geschlossenen Abkommen zwischen der Türkei und der Sarradsch-Regierung würden gegen UN-Resolutionen verstossen. Deren Abkommen über die militärische Zusammenarbeit beider Seiten hatte für den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan den Weg frei gemacht, Truppen nach Libyen zu entsenden. Ankaras Verhalten sei ein «Schlag gegen internationale Bemühungen» in dem Konflikt, sagte Schukri.
Auch Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian kritisierte die Abkommen. Die türkisch-libysche Vereinbarung über Seegrenzen im Mittelmeer betreffe auch Griechenland und Zypern und sei ein Bruch internationalen Rechts. Italiens Aussenminister Luigi Di Maio erklärte auf Twitter, dass Italien gegen «jegliche Formen ausländischer Einmischung» in dem Konflikt sei.
Griechenlands Aussenminister Nikos Dendias sagte, die Abkommen zwischen der Türkei und der Sarradsch-Regierung seien «null und nichtig». Darüber habe bei dem Ministertreffen in Kairo Einigkeit geherrscht.