Indonesien bekommt neue Hauptstadt im Dschungel

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Indonesien,

Jakarta sinkt, Jakarta stinkt - deshalb will Indonesiens Regierung im Dschungel Borneos eine brandneue Hauptstadt aus dem Boden stampfen. Für Präsident Widodo ein Prestige-Projekt. Doch Anwohner und Aktivisten sehen die Metropole vom Reissbrett kritisch.

Die Aufnahme zeigt die Gegend in Ostkalimantan auf Borneo, in der Nusantar. Hier soll die künftige Hauptstadt Indonesiens entstehen. Foto: -/Jaringan Advokasi Tambang (Jatam)/dpa/Handout
Die Aufnahme zeigt die Gegend in Ostkalimantan auf Borneo, in der Nusantar. Hier soll die künftige Hauptstadt Indonesiens entstehen. Foto: -/Jaringan Advokasi Tambang (Jatam)/dpa/Handout - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Es ist ein gigantisches Projekt: Indonesien bekommt eine neue Hauptstadt - fernab der langsam im Meer versinkenden Mega-Metropole Jakarta.

Noch ist das Gebiet auf Borneo, wo das neue Verwaltungszentrum entstehen soll, vom Dschungel bedeckt.

Aber nachdem das Parlament in dieser Woche den Umzug genehmigt hat, kann der Startschuss für die Bauarbeiten in der Provinz Ostkalimantan fallen. Einen Namen hat die künftige Hauptstadt jetzt auch: Nusantara - ein alt-javanisches Wort, das «äussere Inseln» bedeutet und im täglichen Sprachgebrauch als Synonym für den indonesischen Archipel verwendet wird. Schon 2024 sollen die ersten Behörden verlegt werden.

Die Gründe für die von Präsident Joko Widodo vorangetriebenen Pläne sind vielschichtig. Denn das dicht besiedelte Jakarta mit seinen elf Millionen Einwohnern (und sogar mehr als 32 Millionen in seiner Metropolregion) ist nicht nur das Wirtschaftszentrum der aufstrebenden Regionalmacht Indonesien, sondern leidet gleichzeitig unter massiven Problemen.

Die Stadt versinkt

Da ist etwa der tägliche Verkehrskollaps. Autofahrer verbringen in der Stadt durchschnittlich 22 Tage im Jahr im Stau, wie 2019 eine Studie ergab - in jenem Jahr, in dem die Regierung die Umzugspläne erstmals öffentlich machte. Das ist der Luft nicht gerade zuträglich. Oft liegt ein Schleier aus giftigem Smog über Jakarta. Vor einigen Jahren haben Einwohner deshalb bereits die Regierung verklagt - und schliesslich sogar Recht bekommen.

Der wohl wichtigste Grund für den Umzug ist aber die Tatsache, dass verschiedenen Schätzungen zufolge bereits zwischen 20 und 40 Prozent von Jakarta unter dem Meeresspiegel liegen und die Stadt langsam untergeht. Bis 2050 könnte das gesamte Gebiet von Nord-Jakarta überflutet sein. «Nur wenige Orte stehen vor derartigen Herausforderungen wie die Metropolregion Jakarta», heisst es auf der Webseite des Earth Observatory der Nasa. Zeit also, sich nach einem Standort mit weniger Risikopotenzial umzusehen - und zwar schnell, denn Nusantara soll Joko Widodos Vermächtnis werden, bevor in zwei Jahren seine zweite und letzte Amtszeit endet.

«Die haben nie mit uns gesprochen»

Aber nicht überall herrscht Enthusiasmus. Die Bewohner der Gegend, in der Nusantara entstehen soll, betrachten das Projekt mit Sorge und fürchten um ihr Farmland und ihren Lebensunterhalt. «Unsere Sorge ist, dass wir das Land verlieren, das wir seit Generationen bewirtschaftet haben. Die haben nie mit uns gesprochen», sagte Sibukdin, ein Stammesführer aus dem Bezirk Sepaku, wo Teile der künftigen Hauptstadt gebaut werden sollen.

Um Nusantara aus der Erde zu stampfen, werden in der ersten Bauphase 6000 Hektar Dschungel zwischen den Städten Balikpapan und Samarinda weitgehend gerodet. Insgesamt soll sich die Stadt aber irgendwann über mehr als 250.000 Hektar erstrecken. Zu Beginn sollen etwa eine Million Menschen in das neue Verwaltungszentrum ziehen, vor allem Beamte, Militärs und Sicherheitskräfte. Die Kosten für das imposante Unternehmen: mehr als 32 Milliarden Dollar (28 Milliarden Euro).

Grün, smart, modern

Allerdings plant die Regierung keineswegs eine Beton-Wüste, sondern eine ebenso grüne wie smarte City, in der sich die Probleme Jakartas nicht wiederholen. Auf den Strassen werden dem Konzept zufolge nur noch Elektro-Fahrzeuge erlaubt sein, und auch sonst wird Nusantara mit modernsten Technologien glänzen. Der Entwurf des Präsidentenpalastes stammt vom renommierten balinesischen Künstler I Nyoman Nuarta, der kürzlich das ebenso futuristische wie naturverbundene Design des Prunkbaus auf Instagram postete.

Zudem ist die Region den Behörden zufolge relativ sicher vor Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüchen. In Indonesien einen solchen Ort zu finden ist eher eine Seltenheit, liegt das Land doch am Pazifischen Feuerring mit seinen vielen gefährlichen Vulkanen. Nusantara ist dabei nicht die erste künstlich kreierte Hauptstadt - man denke an Canberra in Australien, Abuja in Nigeria oder Naypyidaw in Myanmar.

Gerechter in die Zukunft?

Die Regierung hofft, mit dem Projekt zahlreiche Investoren anzulocken - und künftig auch auf Borneo und nicht nur auf der Hauptinsel Java das Wirtschaftswachstum Indonesiens anzukurbeln. Die Entwicklung des grössten Inselstaates der Welt mit 270 Millionen Einwohnern solle so gerechter und ausgewogener werden, sagte Rawanda Wandy Tuturoong aus dem Stab des Präsidenten.

Umweltschützer sehen das Vorhaben hingegen kritisch. «Die Regierung hätte ein Referendum dazu durchführen sollen», sagte Pradarma Rupang, Aktivist der Gruppe «Mining Action Network» aus Ostkalimantan. «Sie treiben das Projekt mit einer Eile voran, als ob unsere Nation auseinanderfallen würde, wenn wir die Hauptstadt nicht verlegen», monierte er. Aber um Nusantara mit Strom zu versorgen, würden - zumindest zu Beginn - fossile Brennstoffe gebraucht, vor allem Kohle. «Das wird zur Eröffnung riesiger Minen führen», warnte er.

«Jokowi will Geschichte schreiben»

Der politische Analyst Hendry Satrio von der Paramadina University in Jakarta ist überzeugt, dass Präsident Joko Widodo vor allem persönliche Ambitionen treiben. «Jokowi (der Spitzname des Regierungschefs) will Geschichte schreiben», sagte er. «Er hofft, dass dies sein bleibendes Erbe wird.» Dabei bräuchten viele indonesische Städte im Zuge der Corona-Pandemie Hilfe, sagte Satrio. «In der derzeitigen wirtschaftlichen Krise eine neue Stadt zu bauen, sollte die letzte unserer Prioritäten sein.»

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