Innenpolitisch steckt Israel in der Krise. Die Regierungsbildung droht erneut zu scheitern. Inmitten dieses Tauziehens fliegt die Luftwaffe zahlreiche Angriffe gegen Syrien. Russland spricht von einem Verstoss gegen das Völkerrecht.
Durch israelische Raketenangriffe beschädigtes Gebäude bei Damaskus. Foto: -/AP/SANA/dpa
Durch israelische Raketenangriffe beschädigtes Gebäude bei Damaskus. Foto: -/AP/SANA/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei neuen Angriffen der israelischen Luftwaffe im benachbarten Syrien sind mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen.
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Die Luftschläge richteten sich gegen Truppen, die eng mit Israels Erzfeind Iran verbunden sind.

Sie seien eine Reaktion auf iranischen Raketenbeschuss aus Syrien gewesen, teilte die israelische Armee am Mittwoch mit. Inmitten der angespannten Sicherheitslage droht sich auch die politische Krise in Israel zu verschärfen.

Die Frist zur Regierungsbildung stand am Mittwoch kurz vor dem Ablauf, eine Lösung zeichnete sich nicht ab. Ex-Militärchef Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiss hatte noch bis Mitternacht (Ortszeit, 23 Uhr MEZ) Zeit, eine Koalition zu formen. Sollte er scheitern, würde die Wahrscheinlichkeit einer dritten Parlamentswahl innerhalb eines Jahres deutlich steigen.

Die israelische Luftwaffe griff in der Nacht zum Mittwoch Dutzende militärische Ziele in Syrien an. In der Nacht zuvor hatte es mehrere Attacken aus dem Nachbarland auf Israel gegeben; nach israelischen Angaben wurden vier Raketen aus Syrien abgefeuert, die alle vom Raketenabwehrsystem Iron Dome (Eisenkuppel) abgefangen wurden.

Israel will mit seinen Luftschlägen den militärischen Einfluss des Irans in dem Bürgerkriegsland zurückdrängen. Russland, ein Verbündeter Syriens, kritisierte das israelische Vorgehen. Der Einsatz auf dem Gebiet eines souveränen Landes verstosse gegen das Völkerrecht, sagte Vizeaussenminister Michail Bogdanow der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Damit drohe die Lage zu eskalieren. «So etwas ist falsch.»

Die Syrische Beobachtungsstelle meldete, es seien fünf Soldaten der syrischen Armee und 16 Kämpfer regierungstreuer Milizen getötet worden. Dabei habe es sich um Angehörige der iranischen Al-Kuds-Einheit sowie Iran-treuer Gruppen gehandelt. Israelische Raketen hätten unter anderem ein Waffenlager der Al-Kuds-Einheit zerstört. Aus Kreisen syrischer Gesundheitseinrichtungen hiess es zudem, es seien im Umland südwestlich der Hauptstadt Damaskus drei Zivilisten getötet worden.

Israels Armee erklärte, sie habe Stellungen der iranischen Al-Kuds-Einheit und der syrischen Armee attackiert, unter anderem Boden-Luft-Raketen, Hauptquartiere, Waffenlager und Militärstützpunkte.

Die Al-Kuds-Einheit gehört zu den iranischen Revolutionsgarden, einer Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte. Teheran ist im syrischen Bürgerkrieg ein wichtiger Verbündeter der Regierung. Israels Erzfeind Iran unterstützt in Syrien zahlreiche Milizen, deren Kämpfer teilweise aus dem Ausland kommen, etwa aus dem benachbarten Irak.

Mit Spannung wird jetzt erwartet, wie es in Israel innenpolitisch weitergeht. Gantz schrieb vor Ablauf der Frist zur Regierungsbildung auf Twitter: «Dritte Wahlen sind eine schlechte Sache, aber grundlegende Prinzipien und Werte können nicht aufgegeben werden. Wir werden jede Anstrengung unternehmen, um zu einer Einigung zu kommen und in der verbleibenden Zeit eine Regierung zu bilden.»

Bevor Gantz das Mandat erhielt, war der rechtskonservative Regierungschef Benjamin Netanjahu von der Likud-Partei bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr beim Versuch gescheitert, eine Koalition zu schmieden. Netanjahu ist seit 2009 durchgängig im Amt.

Bemühungen um die Bildung einer grossen Koalition von Blau-Weiss und Likud brachten bislang auch kein Ergebnis. Netanjahu bestand darauf, mit einem ganzen Block rechter und religiöser Parteien in das Bündnis einzutreten. Gantz hat sich jedoch zur Bildung einer liberalen, säkularen Koalition verpflichtet und lehnte auch ein Bündnis mit Netanjahu als Regierungschef ab, weil diesem Anklagen in drei Korruptionsfällen drohen.

Als weitere Option wird die Bildung einer Minderheitsregierung gehandelt - Blau-Weiss mit linksliberalen Fraktionen und der Unterstützung der Vereinigten Arabischen Liste von aussen. Die arabische Minderheit in Israel, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht, wird von rechten Politikern häufig als heimlicher Feind des jüdischen Staates von innen dargestellt.

Sollte Gantz scheitern, könnte noch drei Wochen lang jeder Abgeordnete 61 Parlamentskollegen für eine Koalition suchen. Scheitert auch dies, stünde Israel eine neue Wahl bevor.

Die Regierungsbildung gestaltet sich so schwierig, weil weder das rechts-religiöse noch das Mitte-Links-Lager über eine Mehrheit verfügt. Avigdor Lieberman von der ultrarechten Partei Israel Beitenu gilt als Königsmacher. Er macht sich für eine grosse Koalition von Netanjahus Likud und Blau-Weiss stark. Gantz wäre für eine Minderheitsregierung aber auch auf seine Unterstützung angewiesen.

Blau-Weiss war zwar mit 33 von 120 Mandaten als stärkste Kraft aus der Wahl am 17. September hervorgegangen. Der Likud kam auf 32 Mandate. Netanjahu erhielt allerdings 55 Empfehlungen von Abgeordneten für das Amt des Ministerpräsidenten, Gantz eine Stimme weniger.

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