Klimaforschende porträtieren eine um 1,5 Grad wärmere Welt

Keystone-SDA
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Südkorea,

Das Ruder herumreissen und den Klimawandel stoppen: Bei 1,5 Grad Plus soll für die Unterzeichnerstaaten des Klimaabkommens von Paris Schluss sein.

Zwei Zwergplaneten
Das System ist nur etwa elf Lichtjahren von der Erde entfernt. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Weltklimarat tagt ab Montag in Südkorea.
  • Insbesondere kleine Inselstaaten hatten sich für die Obergrenze der Temperatur eingesetzt.

In Südkorea berät ab Montag der Weltklimarat über einen Spezialbericht zum Aussehen der Welt, wenn sich der Klimawandel bei einem Plus von 1,5 Grad aufhalten lässt. Der Bericht soll eine Grundlage liefern für politische Entscheide.

Das Ruder herumreissen und den Klimawandel stoppen: Das versprachen sich die Unterzeichnerstaaten des Klimaabkommens von Paris 2015. Bei einem Plus von 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Welt soll Schluss sein mit der Erwärmung. Oder zumindest bei deutlich unter zwei Grad.

Welche Konsequenzen hätte diese Erwärmung um 1,5 Grad, verglichen mit zwei Grad, und wie kann die Staatengemeinschaft das ambitioniertere Ziel überhaupt noch erreichen? Das sollte der Weltklimarat IPCC in einem Spezialbericht darlegen, der ab kommendem Montag von den 195 IPCC-Mitgliedsländern in Incheon (Südkorea) debattiert und Zeile für Zeile verabschiedet werden soll. Am 8. Oktober wird der Bericht veröffentlicht.

Über 6000 Fachartikel

Für den Report haben ein Kernteam von 91 Autorinnen und Prüfeditoren sowie knapp 250 weitere Forschende aus 64 Ländern über 6000 Publikationen analysiert. Ein Grossteil davon ist brandaktuell: Noch nie zuvor seien in diesem Ausmass die wissenschaftlichen Ergebnisse parallel zum Bericht erstellt worden, erklärte Sonia Seneviratne von der ETH Zürich, die als Leitautorin an dem Bericht mitarbeitete, kürzlich an einem Medienanlass in Bern.

Dass die Zeit für den Klimaschutz drängt, hat Uno-Generalsekretär António Guterres kürzlich bei der Uno-Vollversammlung in New York unterstrichen. Er sprach von einer «direkten existenziellen Bedrohung durch den Klimawandel». Allein in den vergangenen zwei Jahrzehnten seien 18 der wärmsten Jahre seit Beginn der Messreihen 1850 registriert worden. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sei die höchste in drei Millionen Jahren – «und sie steigt».

Ob das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch zu erreichen ist, ist indes fraglich. Man müsse im Kopf behalten, dass die Welt derzeit schon um rund 1 Grad wärmer sei, sagte Seneviratne. Die extremen Wetterverhältnisse dieses Sommers seien aus dem Blickwinkel des Klimawandels sehr gut zu verstehen.

Ein halbes Grad macht viel aus

Das lässt bereits erahnen, dass das halbe Grad zwischen 1,5 und 2,0 Grad zwar nach wenig klingt, aber weitreichende Folgen haben könnte. Nicht umsonst stritten die IPCC-Mitgliedsstaaten im Rahmen vergangener Klimakonferenzen lange über den Grenzwert, der im Klimaabkommen festgehalten werden sollte. Insbesondere die kleinen Inselstaaten hatten sich für die Obergrenze von 1,5 Grad stark gemacht, leiden sie doch besonders unter Folgen der Erwärmung wie steigendem Meeresspiegel und häufigeren Extremstürmen.

Der Spezialbericht soll die Grundlage für politische Entscheide bieten, die bei der nächsten Klimakonferenz im Dezember diskutiert werden. Eine brennende Frage dürfte sein, mit welchen Massnahmen der CO2-Ausstoss begrenzt schnell genug begrenzt werden kann. Das Budget an Treibhausgasen, welche die Menschheit maximal noch ausstossen darf, um das 1,5-Grad-Ziel nicht zu verfehlen, schrumpft rasant oder ist je nach Szenario sogar schon aufgebraucht.

Hoffnung ruht auf der Idee, der Atmosphäre wieder CO2 zu entziehen, zum Beispiel durch Aufforstung oder technische Lösungen. So betreibt beispielsweise das Schweizer Unternehmen «Climeworks», ein Spin-Off der ETH Zürich, in Hinwil im Zürcher Oberland eine Anlage, die 900 Tonnen CO2 pro Jahr abscheidet. Das Gas wird in ein nahegelegenes Gewächshaus geleitet, um das Wachstum der dort angebauten Pflanzen zu erhöhen. Dieser Tage kündigte das Unternehmen einen weiteren Schritt hin zur Kommerzialisierung ihrer Technologie an.

Kippelemente im Klimasystem

Sich zurücklehnen und den CO2-Emissionen ihren Lauf lassen, sollte die Staatengemeinschaft angesichts solcher Technologien dennoch nicht. Sie könnten die Begrenzung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zwar unterstützen, aber nicht alleine stemmen. Und sie könnten zu spät kommen.

Klimaforschende vermuten, dass durch die fortschreitende Klimaerwärmung Prozesse in Gang kommen könnten oder gar bereits gekommen sind, die eventuell nicht mehr umkehrbar sind und den Klimawandel weiter vorantreiben. Zu solchen Kippelementen im Klimasystem zählen beispielsweise tauende Permafrostböden, die Methan freigeben. Dieses Treibhausgas ist um ein Vielfaches klimawirksamer als CO2.

Ein weiteres Beispiel ist das schwindende Meereis an den Polen, das bisher die Sonne reflektierte. Nun absorbiert offenes, dunkles Wasser die Sonneneinstrahlung und wärmt sich weiter auf, wodurch das Meereis weiter schmilzt. Schon jetzt ist in den Tiefen der arktischen See so viel Wärme gespeichert, dass das gesamte Meereis schmelzen könnte, sollte die Wärme an die Oberfläche gewirbelt werden, wie eine Studie kürzlich ergab.

Eines scheint bereits vor der Veröffentlichung des IPCC-Spezialberichts klar: Die 1,5-Grad-Welt wird eine andere sein als die bisher bekannte.

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