Wut und Trauer: Ölkatastrophe auf Mauritius
Die mauritische Bevölkerung hat mit den Folgen der fatalen Ölkatastrophe zu kämpfen. Auch die Tierwelt wird hart getroffen.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor Mauritius ist aus einem aufgefahrenen Schiff Öl ausgetreten.
- Die Bevölkerung und Tierwelt haben mit den verheerenden Folgen zu kämpfen.
- Viele Menschen sind abhängig vom nun wegfallenden Tourismus.
Erst kam die Pandemie. Mukesh Buldewa musste all seine Tauchzentren auf Mauritius vorübergehend zu machen, wie er erzählt. Nach Monaten wurden die Corona-Massnahmen in dem Inselstaat endlich gelockert, Tauchen war wieder möglich. Doch dann kam die Ölkatastrophe.
Anstatt mit Kunden in grünblauen Gewässern tauchen zu gehen, steht der 45-Jährige nun knietief in Treibstoff. Und hilft mit, in dem Urlaubsparadies eine Umweltkatastrophe abzumildern. Wann er dort wieder mit Gästen tauchen kann, wisse er nicht.
Ein 300 Meter langer japanischer Frachter ging vor fast drei Wochen vor der Südostküste von Mauritius auf Grund. Tagelang wurde er von den Wellen des tosenden Meers gepeitscht - bis einer seiner Tanks riss. Mehr als 1000 Tonnen Treibstoff flossen in die Lagune vor Pointe d'Esny.
Mehr Touristen zu Besuch als Einwohner
Während Einsatzkräfte versuchen das Öl zu entfernen, nennt die Regierung das schlimmste ökologische Desaster, das Mauritius je erlebt hat. Doch was bedeutet das für die Menschen in dem Touristenparadies, die ohnehin unter der Corona-Krise leiden? Umweltberater Sunil Dowarkasing sagt: «Die sozialen und finanziellen Folgen dieser ökologischen Krise sind massiv.»
Der kleine Inselstaat im Indischen Ozean lebt vom Tourismus. Die kristallklaren Gewässer und kilometerlangen weissen Strände ziehen jährlich mehr Urlauber an, als es Einwohner gibt. Nämlich 1,38 Millionen im Jahr 2019. Der Sektor machte 2017 dem Tourismusministerium zufolge acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts und zehn Prozent der Beschäftigung aus.
Die schönsten Tauchspots der Insel liegen zwar im Norden und Westen, doch der Süden hat die «wildesten und schönsten Landschaften». Dies schreibt die Tourismusbehörde.
Grosse Vielfalt an Korallen
Ein Korallenriff verleiht der Bucht, vor der das Schiff gestrandet liegt, ein blaugrünes Leuchten. In der Lagune liegt die Insel Île aux Aigrettes, ein Naturreservat, in dem sich Flora und Fauna tummeln. Diese sind nirgendwo anders zu finden.
Zwischen weissen Stränden und Mangroven-Wäldern liegt der Fischerort Mahébourg. In dem können Besucher über die Napoleonischen Kriege und den Sklavenhandel lernen. Und um die Ecke liegt im Blue Bay Marine Park ein Schnorchelparadies: «Im Gegensatz zu anderen Insel gibt es hier eine grosse Vielfalt an Korallen, die bis direkt unter die Wasseroberfläche gehen.» Dies erklärt Nicolas Kromer, ein deutscher Tauchbasenleiter auf Mauritius.
Das wird nun bedroht. Tonnenweise Öl wurde bereits an Land geschwemmt, wie eine Decke liegt es auf Küstenstreifen und klebt zwischen den Mangrovenbäumen.
Schwere Konsequenzen für etliche Tierarten
Umweltschützer machen sich vor allem Sorgen, dass sich der Treibstoff auf dem Meeresboden festsetzen könnte. Sollte er nicht schnell genug abgepumpt werden. «Korallen werden sterben», sagt Vikash Tatayah von der Mauritian Wildlife Foundation.
Die Katastrophe könne schwere Konsequenzen für etliche Tierarten haben, und dies könne sich durch das ganze Ökosystem ziehen, warnt Kromer. Die Bucht zu säubern wird Tatayah zufolge Monate, wenn nicht Jahre dauern. «Um sie zu ihrem Ursprung wiederherzustellen, wird es Jahrzehnte dauern.»
Doch das können sich die Menschen von Mauritius kaum leisten. Bereits jetzt leidet der Inselstaat extrem unter der Corona-Krise. Wegen der Pandemie wurde im März ein harter Lockdown verhängt, Hotels wurden geschlossen und der internationale Flugverkehr eingestellt.
Unbedingt angewiesen auf Touristen
Die Zahl der Touristen werde in diesem Jahr um schätzungsweise 70 Prozent einbrechen, sagt Taslimah Joomun, eine Mitarbeiterin der Statistikbehörde. Wann Urlauber aus dem Ausland wieder einreisen können, ist noch unklar - frühestens im September.
«Für die meisten Menschen in dieser Küstenregion ist die Lebensgrundlage das Meer», sagt der Umweltberater Dowarkasing. Viele Bewohner verdienen ihr Geld durch Tauch- und Schnorchel-Touren. Wie Buldewa, der dort nun erst einmal keine Tauchgänge anbieten kann.
Zudem sind Hotels, Restaurants und Cafés auf Besucher angewiesen. Diese Touristen kommen aber vor allem in diese Bucht, um im Meer zu schwimmen, tauchen oder schnorcheln. Und im Ort Mahébourg sind Dowarkasing zufolge mindestens 400 Fischer registriert, die von den Meerestieren in der Bucht abhängig sind. Vom Tauchlehrer bis zum Obsthändler - «alle Menschen werden betroffen sein».
Manche zeigen mit Finger auf die Regierung
Die Angst ist gross, dass diese Ölkatastrophe Touristen langfristig abschrecken wird - auch wenn internationale Urlauber wieder einreisen dürfen. «Die Menschen werden nicht mehr in diese Region kommen», befürchtet Dowarkasing.
Neben Verzweiflung macht sich nun auch Wut breit. Wie bei der Beirut-Explosion fragen sich viele, ob das Desaster hätte vermieden werden können. Und wie bei der Katastrophe im Libanon zeigen manche mit dem Finger auf die Regierung.
«Die Regierung hat die Verantwortung, seine Bürger zu beschützen. Und die Pflicht, sich um sie zu kümmern», hiess es in einer Kolumne der Zeitung «Le Mauricien». «Wir sind wütend, trauern aber.»