Harry Potter: Vor 20 Jahren erschien «Der Stein der Weisen»
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutschsprachige Ausgabe von Harry Potter feiert Jubiläum.
- Vor zwanzig Jahren kam der erste Band, «Harry Potter und der Stein der Weisen» raus.
Im Harry-Potter-Universum ist der 31. Juli das magischste Datum – für deutschsprachige Muggel seit 20 Jahren. Kurz vor dem gemeinsamen Geburtstag des berühmten Zauberers und seiner Erfinderin Joanne K. Rowling (diesmal der 53.) am letzten Julitag brachte der Hamburger Carlsen Verlag 1998 «Harry Potter und der Stein der Weisen» heraus. Ein Jahr nach dem englischen Original kam das Buch – damals noch ohne konkreten EVT (Erstveröffentlichungstag) - in die hiesigen Buchläden. Zwei Jahrzehnte später sind 34 Millionen deutsche Exemplare verkauft, steht eine Literaturprofessorin vor der Potter-Generation und erinnert sich eine Buchhändlerin der ersten Harry-Stunde an das von Beginn an Besondere.
«Harry Potter ist für Carlsen auch heute noch aussergewöhnlich und in der Buchbranche einzigartig», sagt Verlagschefin Renate Herre. «Das wird es so wohl nie wieder geben.» Der grosse Hype setzte zwischen dem dritten und vierten Band ein, rund um das Jahr 2000. «Plötzlich belegte ein Kinderbuch Platz eins bis drei der Bestsellerlisten», erinnert Herre. Wesentlich dazu beigetragen habe die Verbreitung des Internets. «Erstmals bekam ein Buchtitel eine eigene Homepage, vor allem aber wurde Fanfiction zum Mainstream», erzählt sie. «Die Leser mussten ja die Wartezeit bis zum nächsten Band überbrücken. Es ist unglaublich, wie viele Geschichten sie dabei produziert haben.»
Emer O’Sullivan, Professorin für englische Literaturwissenschaft an der Lüneburger Leuphana Universität, trifft sie in ihren Seminaren – «diese privilegierte Generation, die mit der Reihe gross geworden ist, die bis zum nächsten Band warten und mitfiebern musste». Für sie habe «Harry Potter» so etwas wie eine moderne Mythologie begründet. «Es geht eben nicht nur um das offensichtliche «Gut gegen Böse», Rowling tastet sich auch an weitere ethische Fragen heran.» Ihre Studenten erzählten ihr von Lektüreerlebnissen, die prägend in ihrem Leben gewesen seien, erzählt die Dozentin. «Wenn sie heute krank oder niedergeschlagen sind, hören sie die Hörbücher, um sich zu trösten.»
Prägende Literatur
Prägend war der Welterfolg auch für die Landschaft der Kinder- und Jugendliteratur. «Er löste nicht nur einen neuen Fantasyboom aus, es erschienen danach mehr Reihen und mehr Crossover-Titel, also Bücher für junge wie erwachsene Leser gleichermassen», erinnert die Expertin. «Vor allem aber wurde Kinder- und Jugendliteratur aufgewertet. Die «New York Times» machte eine eigene Bestsellerliste dafür auf, als Harry Potter alles andere verdrängte.» Auf dem deutschsprachigen Markt trug Übersetzer Klaus Fritz zum Erfolg bei. «Die Übersetzer bekamen meistens nur ganz wenig Zeit. Aber auch für seine sprachlichen Einfälle gebührt ihm ganz grosses Lob», sagt O'Sullivan.
Als der erste deutsche Potter in den Handel kam, arbeitete Christel Heidemann-Schmidt in einer Buchhandlung in Elmshorn bei Hamburg – und war wie ihre ebenfalls für den Kinder- und Jugendbucheinkauf zuständige Kollegin begeistert. «Ich schrieb eine Rezension für ein Anzeigenblatt und warnte: «Wenn Sie Ihrem Jungen dieses Buch kaufen, werden Sie ihn drei Tage lang nicht sehen.» Auch damals war es schon wichtig, Jungen zum Lesen zu bekommen.» Noch immer ist sie im selben, heute zu Heymann gehörenden Geschäft – und noch immer funktioniere «Harry Potter» als «Einstiegsdroge» für Lesemuffel.
Fasziniert war die Buchhändlerin damals nicht nur davon, dass eine Autorin von Anfang an sieben Bände ankündigte. Gerne habe sie ihren Kunden auch die Geschichte von der arbeitslosen, alleinerziehenden Autorin aus Grossbritannien erzählt, deren Manuskript erst niemand wollte. In Deutschland lehnten viele Kinderbuch-Verleger ebenfalls ab. Der Hamburger Klaus Humann, damaliger Chef des kleinen Carlsen Verlages mit 35 Mitarbeitern (heute 190), schlug zu – auch wenn es ein Risiko gewesen sei, wie er später berichtete. Seit 2012 leitet er den Verlag Aladin, Ende des Jahres geht er in den Ruhestand.
Zauber geht weiter
Dass der Zauber weitergeht, dafür sorgen Carlsen-Chefin Herre und ihr Team. Zum Jubiläum veröffentlichen sie am 31. August alle sieben Bände als Neuausgabe. Für den neu illustrierten Auftritt wählten sie den Mailänder Künstler Icapo Bruno aus. Auch Hörbuchstar Rufus Beck kehrt dann nach langer Zeit für drei Jubiläumslesungen in Hamburg, Berlin und München in die Zauberschule Hogwarts zurück. Kurze Zeit später kommt im Herbst der zweite Film des Spin-offs «Phantastische Tierwesen» in die Kinos. Das Theaterstück «Harry Potter und das verwunschene Kind», derzeit in London und New York zu sehen, wird 2020 ebenfalls in Hamburg auf die Bühne gebracht.
Zum Jubiläum richtete Carlsen die Internetseite «20 Years Of Magic» ein. Dort teilen Fans ihre schönsten Erlebnisse mit der magischen Welt. «Ich weiss noch, wie ich am Fenster gestanden und auf den Briefträger gewartet habe», schreibt Cathrin. War das Buch endlich da, habe sie es sofort durchgelesen. Und Tania berichtet: «Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht kurz in Hogwarts vorbeischaue. Die Bücher sind meine Zuflucht, mein Ausbruch aus dem Alltag, mein zweites Zuhause und damit etwas ganz Besonderes.»