Junges Team startet Plattform gegen Cybermobbing
Das Wichtigste in Kürze
- Mit 12 steht er einer bedrohten Mitschülerin bei und wird damit selbst zur Zielscheibe.
Mit 13 gründet Lukas Pohland eine Initiative gegen Cybermobbing, berät Opfer telefonisch von seinem Kinderzimmer aus.
Mit 14 gründet der Schüler den Verein Cybermobbing-Hilfe, wird Vorsitzender, klärt auf, schult, dreht Videospots. Der Jugendliche aus Schwerte wird als Experte im Düsseldorfer Landtag angehört, in Talkshows eingeladen, beteiligt sich an Präventionskampagnen in Schulen. Und jetzt, mit 16 Jahren, startet er mit jungen Mitstreitern für Kinder und Jugendliche eine bundesweit wohl einzigartige Online-Beratungsplattform.
«Kinder und Jugendliche rufen heute eigentlich nicht mehr so an, sie wollen eher eine Online-Beratung», schildert Lukas. «Wir wollen Hilfe auf Augenhöhe bieten. Wir sind alle Digital Natives, mit Internet und Smartphone grossgeworden. Wir können uns besser einfühlen als Erwachsene.» Zehn Berater zwischen 15 und 21 Jahren stehen parat. Sie wollen Halt geben, erste Hilfe leisten, zuhören, Mut machen, konkrete Hilfen vermitteln, wenn Schüler schikaniert, fertiggemacht werden - anonym, gnadenlos, systematisch, öffentlich.
Mobbing läuft vor allem über soziale Netzwerke wie TikTok, Instagram und Snapchat, passiere aber auch immer noch via Facebook und Whatsapp oder auch bei Online-Games. Videos und Fotos aus Umkleiden oder Toiletten werden gepostet oder nackte Körper auf Personenbilder gespiegelt. «Das ist schon sehr heftig. Man sieht, wie bösartig Kinder und Jugendliche sein können», berichtet der Schüler, der souverän und unaufgeregt wirkt - und neben allen Vorbereitungen für den Start der kostenlosen Plattform an diesem Mittwoch noch seine Abschlussklausuren schreibt.
Alle im jungen Team sind «bestens ausgebildet», betont Lukas. Über Monate hinweg wurden sie von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) in Workshops geschult. Die Hilfesuchenden sollen immer von einem festen Ansprechpartner betreut werden, der dann gut im Bild sei. Sechs weibliche und vier männliche Berater aus mehreren Bundesländern machen mit. Es handele sich um die deutschlandweit erste allein auf Cybermobbing spezialisierte Internet-Beratungsstelle, sagt der Initiator.
«Für betroffene Kinder und Jugendliche ist es leichter, sich an Menschen im selben Alter zu wenden. Man schämt sich auch nicht so wie gegenüber Erwachsenen.» Auf der Website der Cybermobbing-Hilfe führt ein Button auf die Beratungsseite, die Anmeldung kann anonym erfolgen. Die meisten Hilfesuchenden, die sich bisher telefonisch an seinen Verein wenden, nennen ihren Vornamen und Alter.
Drei erwachsene Supervisoren - Medienpädagogen und Psychologen - stehen den jungen Helfern zur Seite. «Falls wir selbst psychisch an unsere Grenzen kommen oder Fälle so schwerwiegend sind, dass man als junger Berater eventuell Unterstützung braucht.» Häufig seien Folgen von anhaltendem Mobbing emotionale und psychische Probleme, Rückzug, Ängste, ungesunde Selbstkritik, Depression, aber auch Suizidgedanken.
Das deckt sich mit der jüngsten Studie «Cyberlife III» , für die das Bündnis gegen Cybermobbing 6000 Schüler, Eltern und Lehrer 2020 bundesweit befragt hatte. Etwa jeder sechste zwischen 8 und 21 Jahren ist danach von Cybermobbing betroffen - fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Ein deutlicher Anstieg, hatte der Vorsitzende Uwe Leest im vergangenen Dezember betont. Und: «Es zeigt sich ganz deutlich, dass heute gezielter und härter gemobbt wird.» Jeder vierte Betroffene habe Suizidgedanken geäussert. Die Pandemie mit Homeschooling und mehr Zeit im Internet habe das Problem verstärkt, beobachtet das Bündnis - ebenso wie Lukas, dessen Verein deutlich mehr Anfragen verzeichnet.
Lukas Pohland hatte in dem mehrfach prämierten Kurzfilm «Es wird besser» (2018) eine Nebenrolle als Mobbing-Opfer gespielt und Ende 2020 die «Initiative Digitale Empathie» - unter Schirmherrschaft von Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) - mitgegründet. Dass er zum umtriebigen, engagierten und gefragten Experten geworden ist, liegt auch daran, dass er die Opferrolle kennt.
Als eine Mitschülerin vor vier Jahren in der Klasse angepöbelt und ausgrenzt wurde, verteidigte er sie. «Da haben sie mich mit ins Visier genommen. Wir wurden im Netz beleidigt, bedroht, wir hatten wirklich Angst. Es war so ausweglos und wir haben uns gefragt, warum uns niemand hilft.» Per Whatsapp wurden Fotos von ihnen mit Schmierereien gepostet und Bilder von Messern, kombiniert mit der Frage: «Wie stechen wir die am besten ab?» Obwohl klar war, wer hinter der Aggression steckte, verwies die Schule an die Polizei, die Polizei an die Schule. Das gemobbte Mädchen gab auf, verliess die Schule, Lukas folgte. Was er für völlig inakzeptabel hält: «Die Täter durften alle in der Schule bleiben. Das ist schon bemerkenswert.»