2018er Weine ringen um Raffinesse und Spritzigkeit

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Deutschland,

Wenn es heiss wird in den Weinbergen, schiesst der Zuckergehalt in den Trauben hoch. Das Ergebnis sind eher schwere Weine. Der 2018er liegt beim Alkoholwert dann schon mal über 15 Prozent.

Viele 2018er Weine sind weniger gut als erwartet. Grund ist ein zu hoher Oechsle-Grad. Foto: Daniel Karmann
Viele 2018er Weine sind weniger gut als erwartet. Grund ist ein zu hoher Oechsle-Grad. Foto: Daniel Karmann - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Manche schwärmten schon von einem Jahrhundertjahrgang.

Nach den ersten Verkostungen von 2018er Weissweinen fallen die Urteile jetzt deutlich ernüchtert aus. Das liegt am vielfach etwas höheren Alkoholgehalt.

Schweren Weinen mangelt es an Raffinesse und Spritzigkeit - Eigenschaften, die bislang den besonderen Charakter der deutschen Weissweine geprägt haben. Der Stil deutscher Weissweine werde wohl auf Dauer etwas südländischer, sagt ein rheinhessischer Winzer zum Beginn der Hauptlese in dieser Woche.

Zu hoher Oechsle-Grad

Bei einer Verkostung «Grosser Gewächse», also der Spitzenweine des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), zeigten etliche Weiss- und Grauburgunder Alkoholwerte von 13,5 bis 14,5 Prozent. «Dieser Alkoholgehalt hängt mit dem besonderen Jahr 2018 zusammen», sagt Jacques du Preez, Kellermeister des sächsischen VDP-Weinguts - Prinz zur Lippe.

«In den Jahren davor hatten wir keine Probleme mit einem zu hohen Oechsle-Grad», erklärt der Kellermeister mit Blick auf das Mass für den Zuckergehalt im Traubenmost. «Inzwischen müssen wir darauf achten, dass er nicht durch die Decke schiesst.» Dabei war gerade das östliche Weinanbaugebiet Sachsen über Jahrzehnte hinweg für seine besonders trockenen Weine bekannt.

Ein Most mit 90 Grad Oechsle hat einen Zuckergehalt von 209 Gramm je Liter. Diese beachtliche Menge Zucker wird von der Hefe im Fass zu Wein mit einem Gehalt von 12,4 Prozent Alkohol (bezogen auf das Volumenverhältnis) umgewandelt.

Frühe Lese füt leichte Weine

Weil gerade die leichteren Weissweine im Markt besonders gut ankommen, sind die Winzer bemüht, die Trauben früh zu lesen, um den Oechsle-Grad unter Kontrolle zu halten. «Wenn ich drei, vier Tage später mit der Lese beginne, können bei hohen Temperaturen schnell mal fünf Grad Oechsle dazu kommen», erklärt der Winzer aus Sulzheim in Rheinhessen, dem grössten deutschen Anbaugebiet. «Das ist dann am Schluss ein gutes Prozent mehr Alkohol.»

Sein 2018er Silvaner der Lage Wörrstädter Rheingrafenberg weist einen Alkoholwert von 13,5 Prozent aus. «13 Prozent wären mir lieber gewesen, aber das ging nicht.» Dabei habe er den Silvaner im vergangenen Jahr statt wie sonst erst Ende September schon am 2. September gelesen, so früh wie nie zuvor.

Allerdings gehen die Winzer mit einer frühen Lese auch ein Risiko ein. Zwar mag der Zuckergehalt schon voll ausgebildet sein. Die sogenannte physiologische Reife mit der Entwicklung der für den Geschmack entscheidenden Aromastoffe setzt aber meist etwas später ein als die Zuckerreife.

Dies sei gerade bei dem von Sonne, Wärme und Trockenheit bestimmten Jahrgang 2018 der Fall gewesen, sagt Sommelier (Weinberater) Joel Payne, Chefredakteur des Weinführers «Vinum». «Im Schnitt haben die Weine einen Hauch mehr Alkohol und weniger Säure als im oft besseren Vorjahr», sagt er nach der VDP-Verkostung im Kurhaus Wiesbaden über die 2018er «Grossen Gewächse» - in dieser Spitzenkategorie kostet eine Flasche im Schnitt 32 Euro.

Die Zuckerbildung kontrollieren

Viele Winzer versuchen, mit einem frühzeitigen Beschnitt der Rebenblätter die Zuckerbildung in den Trauben zu drosseln. «Mit der Regulierung der Blattfläche kann man die Zuckerproduktion kontrollieren», erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz. «Es sind ja die Blätter, die in der Photosynthese den Zucker produzieren und in die Trauben leiten.» Allerdings schützen die Blätter auch die Trauben vor Sonnenbrand, der bei den Hitzewellen in diesem Sommer ein Problem war.

Viel Alkohol und wenig Säure, das ist auch Gesprächsthema bei der ersten Verkostung von Weinen der «Selection Rheinhessen» in Mainz - diese Weine müssen höhere Qualitätsanforderungen erfüllen, die von einer Jury überprüft werden. Selbst Riesling-Weine dieser Kategorie mit Preisen um die zehn Euro je Flasche erreichen beim 2018er oft nicht die Frische früherer Jahrgänge. «Der 18er ist gut für Alltagsweine», sagt aus Bechtolsheim. «Im höheren Preisbereich gibt es eher selten richtig gute Weine - es war schlicht zu warm.»

Zur «Selection Rheinhessen» gehört auch ein Grauburgunder der Lage Laubenheimer Johannisberg mit 15,5 Volumenprozent Alkohol, die deutlich zu schmecken sind. «Das ist unsere Messlatte für einen kräftigen Wein», schmunzelt Winzer aus Mainz-Hechtsheim. «Wenn ein Wein genug Körper hat, kann er auch 15,5 Prozent vertragen.»

Weine von südländischem Stil

«Die Winzer wissen, dass sie künftig öfter mit warmen, teilweise trockenen Jahrgängen rechnen müssen», sagt Sommelier Payne. In einigen Anbauregionen wie Nahe und Mosel könnten die Weine davon profitieren. «In Rheinhessen und in der Pfalz ist mehr Vorsorge nötig.» Schliesslich ist es in diesen Regionen im Südwesten ohnehin schon überdurchschnittlich warm.

«Wir wollten bei unserem 2018er die Aromareife abwarten», sagt Winzer aus Flomborn in Rheinhessen, als er einen Silvaner mit 14,5 Prozent Alkohol ausschenkt. «Das haben wir erkauft mit einem höheren Alkoholgehalt.» Weil Alkohol auch konservierend wirkt, hofft er, dass seine Weine besonders langlebig sind, in der Flasche weiter reifen. Langfristig erwartet der Winzer, dass sich die Weine verändern werden: «Wir bekommen den südländischen Stil, ob wir wollen oder nicht.»

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