Amadeu-Antonio-Stiftung: Reichbürgerszene wurde unterschätzt

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Deutschland,

Lange wurden sogenannte Reichsbürger als Querulanten belächelt, mittlerweile sind sie voll im Fokus der Ermittler. Zu spät, sagt ein Experte nach der bundesweiten Grossrazzia.

Heinrich XIII Prinz Reuss.
Bei einer Razzia gegen sogenannte «Reichsbürger» in Frankfurt/Main führen vermummte Polizisten Heinrich XIII Prinz Reuss ab. - Boris Roessler/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Reichsbürgerszene in Deutschland ist nach Einschätzung der Amadeu-Antonio-Stiftung zu lange unterschätzt worden.

Es habe in den vergangenen Jahren immer wieder deutliche Zeichen dafür gegeben, dass die Anhänger gewaltbereit seien und offenbar auch organisiert, sagte Extremismusforscher Lorenz Blumenthaler.

«Aber gerade in Sicherheitskreisen wurden die Gruppierungen oft verlacht und ihr enormes Gefahrenpotenzial trotz intensiver Warnungen der Zivilgesellschaft auf die leichte Schulter genommen», kritisierte der Berliner, der sich für die Stiftung, die Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus entgegentritt, unter anderem mit Verschwörungsideologien und dem Milieu der sogenannten Reichsbürger auseinandersetzt.

Verdächtige in elf Bundesländern und im Ausland

«Reichsbürger» sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu, in Baden-Württemberg sollen es 3800 sein. Die Bundesanwaltschaft hatte gestern Verdächtige in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich festnehmen lassen. Die Beschuldigten sollen eine terroristische Vereinigung gebildet haben, die mutmasslich den Umsturz des politischen Systems in Deutschland vorbereiten wollte.

«Das Thema wurde zunächst auch in Deutschland zu sehr auf die leichte Schulter genommen», sagte Blumenthaler der Deutschen Presse-Agentur. Die Reichsbürgerszene und ihr enormes Radikalisierungspotenzial zu unterschätzen sei ein Fehler, der sich rächen könne, warnte er zudem. Diesen Fehler hätten die deutschen Behörden nach den Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers aus dem mittelfränkischen Georgensgmünd auf Polizisten vor sechs Jahren eingesehen und versucht, die Szene zu erfassen. Das sei zuletzt vor allem unter Führung der Ampel-Koalition besser gelungen.

Ruf nach mehr Präventionsarbeit und Strafverfolgung

«Spätestens seit den vereitelten Entführungsplänen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach im April steht das Thema auch in der Politik weit oben auf der Agenda», sagte Blumenthaler. «Da lacht heute eigentlich keiner mehr.»

Aus seiner Sicht lässt sich die Reichsbürgerszene aber nicht von heute auf morgen erfolgreich bekämpfen. «Es wurde in den vielen Jahren viel verpasst», sagte der Experte. «Da stellt sich die Frage, ob sich innerhalb kurzer Zeit das Rad der Zeit allein durch Razzien zurückdrehen lässt. Da braucht es vielmehr einen ganzheitlichen Ansatz aus Bildung, Präventionsarbeit und eben auch konsequenter strafrechtlicher Verfolgung.»

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