Balkanreise: Merkel betont Bedeutung der Region für Europa
Sechs Staaten aus Südosteuropa wollen in die EU. In der scheidenden Bundeskanzlerin sehen sie eine gewichtige Fürsprecherin, deren Abgang sie zutiefst bedauern.
Das Wichtigste in Kürze
- Wenige Wochen vor ihrem Ausscheiden aus der Politik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das Interesse Deutschlands an den Westbalkan-Staaten bekräftigt.
«Unabhängig davon, wie die deutschen Wahlen ausgehen, wird jeder neue deutsche Bundeskanzler ein Herz für die Region haben», sagte sie am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama.
Merkel beendete eine zweitägige Reise, die sie am Tag zuvor nach Belgrad geführt hatte, aber allen sechs Westbalkan-Staaten galt. Albanien, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien und das Kosovo streben gleichermassen in die Europäische Union (EU). Im Beitrittsprozess erreichten sie bislang unterschiedliche Stufen, aber sie haben alle einen weiten Weg der Demokratisierung und Reformen vor sich.
In der albanischen Hauptstadt Tirana sprach Merkel zunächst mit dem Gastgeber Rama und dann mit den anderen fünf Regierungschefinnen und -chefs: Ana Brnabic (Serbien), Zdravko Krivokapic (Montenegro), Zoran Tegeltija (Bosnien), Zoran Zaev (Nordmazedonien) und Albin Kurti (Kosovo). Es gab jeweils bilaterale Treffen sowie ein gemeinsames Mittagessen in einem Business-Park nahe dem Flughafen.
In Belgrad hatte Merkel nach ihren Gesprächen mit Präsident Aleksandar Vucic das «absolute geo-strategische Interesse» Deutschlands und der EU an der Integration der Westbalkan-Staaten betont. In Tirana bekräftigte sie diese Einschätzung.
Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, Serbien seit 2014. Albanien und Nordmazedonien erhielten im Vorjahr grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, doch das EU-Mitglied Bulgarien blockiert derzeit den Start für Nordmazedonien, weil es vom kleineren Nachbarland national- und identitätspolitische Zugeständnisse erzwingen will.
Das in sich stark gespaltene Bosnien hat erst einen Aufnahmeantrag gestellt. Das Kosovo, das sich von Serbien losgelöst hat, steht praktisch am Nullpunkt. Fünf EU-Länder, darunter Spanien und Griechenland, wollen nämlich die Staatlichkeit des heute fast ausschliesslich von Albanern bewohnten Landes nicht anerkennen.
Der Beitrittsprozess gestaltet sich schleppend, wofür es unterschiedliche Gründe gibt. Die Führung in Serbien, die seit 2012 von Präsident Vucic dominiert wird, zeigt wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. Aber auch die verantwortlichen Politiker einiger «alter» EU-Länder zeigen Anzeichen einer «Erweiterungsmüdigkeit».
Merkel fand dafür in Tirana kritische Worte. «Wenn die Bedingungen für den Beitritt oder für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen erfüllt sind, dann muss die EU Wort halten», erklärte sie. Es gehe nicht an, dass einzelne Mitgliedsländer «immer neue Bedingungen erfinden, weil sie aus innenpolitischen Gründe keine Lust haben», sich mit potenziellen neuen Mitgliedern auseinanderzusetzen.
Merkels Reise stand auch im Zeichen der Anerkennung, die die regionalen Regierungschefs der Bundeskanzlerin entgegenbringen. «Niemand hat mehr Gutes getan für die Region als sie, niemand versteht die Region besser als sie», sagte Rama. Vucic hatte sie am Tag zuvor gleichfalls in höchsten Tönen gelobt. «Sie ist eine Autorität, der jeder in der Region gerne zuhört, die für jeden ein offenes Ohr hat», hatte er geschwärmt.