Beatles-Studium in Liverpool: «Wir sind besessen von ihnen»

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Grossbritannien,

Die Beatles und Liverpool - die einen sind ohne das andere nicht vorstellbar. Nun widmet ihre Heimatstadt den «Fab Four» sogar einen eigenen Studiengang. Im Mittelpunkt steht aber nicht die Musik. Der Dozentin geht es ums grosse Ganze.

Studierende des Beatles-Studiengangs stehen in der Beatles-Installation von Strawberry Field vor einem Video von Beatles-Mitglied Paul McCartney. Foto: Benedikt von Imhoff/dpa
Studierende des Beatles-Studiengangs stehen in der Beatles-Installation von Strawberry Field vor einem Video von Beatles-Mitglied Paul McCartney. Foto: Benedikt von Imhoff/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Blick auf die hingepinselte Schrift und sofort ist das passende Lied im Kopf: «Strawberry Field» steht an der Mauer, daneben ein schmiedeeisernes rotes Eingangstor.

«Ikonisch» nennt man solche Orte. Willkommen zur Beatlesmania in Liverpool!

Die legendäre Musikband prägt das Bild der nordwestenglischen Stadt auch mehr als 50 Jahre nach ihrer Auflösung. Viele Touristenbusse halten nur für ein kurzes Foto vor dem Strawberry Field, einem ehemaligen Waisenhaus, auf dessen Grundstück Beatles-Mitglied John Lennon als Kind oft spielte. Doch Holly Tessler und ihre Studenten suchen hier mehr als nur ein Bild.

«The Beatles: Music Industry and Heritage» lautet der Name von Tesslers Masters-Kurs - Musikindustrie und Kulturerbe. Es ist ein einzigartiger Studiengang in der Heimatstadt der «Fab Four». Zuerst aber muss Tessler mit Vorurteilen aufräumen. «Die Leute hören das Wort Beatles und denken, dass es wie ein Kneipenquiz ist oder dass wir «Sergeant Pepper» hören und uns erzählen, wie toll das Lied ist», sagt die Amerikanerin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Dafür braucht niemand einen Studienabschluss.»

Der Dozentin geht es um mehr.

Ziel sei, das vorherrschende Denken über die Band in Frage zu stellen - umso mehr, da Zeitzeugen älter werden. Von den vier Beatles leben noch zwei: Der geniale Songschreiber Paul McCartney wird nächstes Jahr 80, Drummer Ringo Starr 82. Experten erzählen hinter vorgehaltener Hand, die Erinnerung der Bandmitglieder ändere sich durchaus je nach Tagesform oder Laune.

Tessler, die selbst keinen McCartney-Auftritt verpasst, will vorbeugen und ein wissenschaftliches Beatles-Netzwerk spannen, um eine objektive Geschichtsschreibung zu gewährleisten. Der Studiengang ist ein Teil davon, kommendes Jahr soll eine Zeitschrift erscheinen. Im Blick ist dabei auch die gesellschaftliche Rolle der Beatles, deren Einfluss auf Kultur und Mode der 1960er Jahre immens war.

Wer studiert das?

Zehn Studentinnen und Studenten haben sich für das erste Semester bei Tessler eingeschrieben, ein Jahr dauert der Vollzeitkurs für Postgraduierte. Entstanden ist ein Mix aus Jung und Alt, zwischen Anfang 20 und Ende 60. Einige sind längst im Berufsleben verankert oder haben es bereits hinter sich.

Da ist Steve, der in seiner Freizeit einen Podcast und einen Blog zur Band betreibt. Die Amerikanerin Susan, eine ehemalige Hochschuldozentin, ist extra für den Kurs nach Liverpool gezogen. Stadtführer Damion will sein Wissen über die berühmtesten Söhne der Stadt vertiefen. Alle eint: Sie sind riesige Beatles-Fans.

Zwei Teilnehmer haben ihre Söhne «Jude» genannt, nach dem berühmten Song «Hey Jude». «Wir werden niemals müde, wir sind besessen von ihnen», so formuliert es Alexandra Mason, wohl die Jüngste im Kurs. Über persönliches Leben oder die Songs kann Tessler ihren Studenten nichts Neues erzählen.

Worum also geht es?

«Wir betrachten, wie Liverpool sein Beatles-Erbe mit seinem breiteren Kultursektor in Einklang bringt und mit ihm arbeitet», erklärt die Dozentin. Besuche wie in Strawberry Field geben den Studenten einen Blick hinter die Kulissen der Beatlesmania, was mit den Einnahmen durch die Begeisterung geschieht: Die Touristenattraktion ist auch eine Wohltätigkeitsorganisation, die mit jungen Leuten aus schwierigen Verhältnissen arbeitet.

Unterricht zwischen Klassenzimmer und Sehenswürdigkeiten wie der Strasse Penny Lane: Als Aufgaben erarbeiten die Studenten eine Beatles-Route durch Liverpool oder planen ein Beatles-Event. Das sei keine Nische, betont Tessler. «Es ist kein Abschluss, der die Beatles feiert, sondern die Beatles, den Tourismus und die Kulturerbe-Branche von Liverpool als Vorlage für andere Orte nutzt, die für ein kulturelles Phänomen bekannt sind.» Also wie Salzburg und Mozart. Mögliche Berufsziele der Absolventen: Tourismus, Freizeit, Kultur oder Kreativitätsindustrie.

Wer einmal durch Liverpool bummelt, dem fällt schnell auf, wie eng die Stadt noch mit der Band verbunden ist. Auf rund 100 Millionen Euro wird der Anteil geschätzt, den die Beatles-Euphorie zur Wirtschaftskraft in Liverpool beiträgt. «Ein grosser Teil unseres Tourismus ist Beatles-Tourismus», sagt Roag Best, Eigentümer eines Beatles-Museums. «Die Beatles haben also eine Branche geschaffen, die Leute in Lohn und Brot bringt.»

Zentrum der Beatlesmania ist die Mathew Street.

Hier liegen der Cavern Club, in dem die Beatles erste Erfolge feierten, und der Pub «Grapes», in dem die Vier vor den Auftritten noch ein Bier tranken. Die Namen der Cafés und Bars drumherum sind voller Anspielungen auf die Band und ihre Songs: Da gibt es das «Rubber Soul» oder das «Sergeant Peppers», die charismatischen Pilzköpfe prangen an jeder Wand, Beatles-Songs in Dauerschleife beschallen die Strasse. Ein wenig wirkt es wie ein kleines Beatles-Disneyland.

Natürlich musste es die Mathew Street sein, in der Roag Best sein Beatles-Museum eröffnet. «Ein anderer Ort kam nicht in Frage», erzählt der Stiefbruder des ersten Beatles-Drummers Pete Best, während er durch die Ausstellung führt. Nur Paul McCartney besitze eine grössere Sammlung von Beatles-Memorabilia, sagt Best stolz. John Lennons Feuerzeug, originale Pläne des Cavern Club, Filmrequisiten, Instrumente, Klamotten, Briefe und Hotel-Gästelisten während der USA-Tourneen - mit Tausenden Belegen zeichnet das Museum die Geschichte der Band nach: Durchbruch in Hamburg, Star-Rummel, Ende.

Den Masters-Kurs hält Best für eine hervorragende Idee. «Die Beatles zu studieren, bedeutet nicht, nur etwas über eine Rock-'n'-Roll-Band zu lernen», sagt er. Es gehe um Grenzüberschreitungen. «Die Beatles haben damals die Kultur verändert.»

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