May: EU-Austritt könnte uns durch die Finger schlüpfen
Wann kommt der Brexit - und kommt er überhaupt noch? Alles scheint möglich im endlosen Gezerre um den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Premierministerin May mahnt - vor allem ihre eigenen Parteifreunde.
Das Wichtigste in Kürze
- Die britische Premierministerin Theresa May hat vor einer Abkehr vom Brexit gewarnt.
Je länger der geplante EU-Austritt auf sich warten lasse, desto grösser sei die Gefahr, dass er gar nicht mehr stattfinde, erklärte May am Samstagabend in London.
Sie rechtfertigte damit ihre Gespräche mit der Labour-Opposition über einen Brexit-Kompromiss. Die treffen auf wachsendes Misstrauen in Teilen ihrer Konservativen Partei. Sogar neue Spekulationen über eine Revolte im Kabinett machten am Wochenende die Runde.
May will ihr bereits drei Mal vom Parlament abgelehntes Abkommen mithilfe von Labour doch noch über die Ziellinie bringen. «Es gibt kein Anzeichen dafür, dass es in der nahen Zukunft angenommen werden könnte. Ich musste daher einen neuen Ansatz wählen», sagte May.
Die Labour-Partei zeigte sich jedoch enttäuscht vom bisherigen Verlauf der Gespräche mit der Regierung. «Ich habe keinen grossen Wandel bislang in der Position der Regierung erkennen können», sagte Corbyn am Samstag in Plymouth.
Am Mittwoch will May bei einem EU-Sondergipfel um eine Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni bitten. Die EU hat bereits klar gemacht, dass sie dafür einen Plan vorlegen muss, wie es weitergehen soll. Bislang ist der Austritt bereits für den 12. April geplant. Ohne weiteren Aufschub oder Annahme des Austrittsvertrages droht dann ein Ausscheiden ohne Abkommen mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche.
Doch Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei streiten die negativen Konsequenzen eines «No-Deal-Brexits» ab. Sie befürchten, May könne den Forderungen der Labour-Partei nach einer engeren Anbindung an die EU nach dem Brexit nachgeben oder sogar ein zweites Referendum über den Ausstieg aus der Europäischen Union zulassen.
Der einflussreiche konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg warnte in einem Interview des TV-Senders Sky News am Sonntag, May habe «aktive Entscheidungen getroffen, um unseren Austritt aufzuhalten».
Eine Teilnahme Grossbritanniens an der Europawahl Ende Mai könnte vielen Menschen angesichts des Brexits nicht vermittelt werden, kritisierten Tory-Politiker. «Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, das wäre der Abschiedsbrief für die Konservative Partei», sagte am Samstag Bildungsstaatssekretär Nadhim Zahawi dem Sender BBC. Konservative warnen laut der Zeitung «The Telegraph» auch vor einem «katastrophalen Schaden» bei den Kommunalwahlen am 2. Mai im Land.
Finanzminister Philip Hammond äusserte sich am Samstag dagegen zuversichtlich zu den Gesprächen mit der Opposition. Die Diskussionen mit Labour würden weitergehen, sagte er beim Treffen der EU-Finanzminister in Bukarest. «Ich bin optimistisch, dass wir irgendeine Art von Übereinkunft erreichen werden.» Die Regierung gehe ohne rote Linien und unvoreingenommen in die Gespräche.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz mahnte London zu einer baldigen Einigung. «Es ist an der Zeit, dass die britische Regierung und Labour zu einer klugen und vernünftigen Einigung kommen, um die Lähmung der britischen Politik aufzulösen und einen ungeregelten Brexit zu verhindern», sagte Scholz einer Mitteilung vom Sonntag zufolge.
Während sich der Streit um den Brexit zieht, geht bei den britischen Reisepässen alles ganz schnell: Trotz der Brexit-Verschiebung fehlt auf den Dokumenten bereits die Bezeichnung «Europäische Union». Die burgunderfarbenen Pässe werden seit dem 30. März ausgegeben - einen Tag nach dem ursprünglich geplanten EU-Austritt. Innenminister Sajid Javid sprach von einem «effizienten Management». Ende des Jahres müssen sich die Briten auf noch eine Neuerung einstellen: Dann sollen die Dokumente nicht mehr im typischen Burgunderrot der EU-Reisepässe ausgestellt werden, sondern in Blau - mit Pässen in dieser Farbe bereisten die Briten früher die Welt.