Coronavirus: Muss Armee wegen Frankreich wieder an die Grenze?
Das Wichtigste in Kürze
- Das BAG setzt auf eine Länder-Quarantäneliste – Frankreich ist wohl der nächste Kandidat.
- Belgien geht einen anderen Weg: Es setzt auf Risikogebiete statt Länder.
- Würde ein Nachbarland zum Risiko-Gebiet erklärt, müsste wohl die Armee aushelfen.
Der Bund macht sich mit seiner Politik der Quarantäne für Risikoländer wenig Freunde: Steigen in einem Land die Neuinfektionen mit dem Coronavirus, landet es auf der Risikoliste. Wer danach aus dem betroffenen Land zurückkehrt, muss in Quarantäne. Die Quarantäne für Personen aus einem Risikogebiet ist mittlerweile international verbreitet und wird auch von vielen Experten als sinnvoll erachtet.
Doch ist der Weg, ganze Länder auf die Risikoliste zu setzen, der richtige?
Problemfall Frankreich
Wie problematisch die Kategorisierung in Länder ist, zeigt sich am Beispiel Frankreich: In einigen Regionen des Landes grassiert das Coronavirus seit Wochen. Seit kurzem liegt die 14-Tages-Inzidenz über 60 – und damit über dem BAG-Grenzwert. Frankreich dürfte deshalb wohl in Kürze auf der Quarantäneliste landen.
Paris vermeldet aber bereits seit Wochen eine 14-Tages-Inzidenz von über 60: Aktuell beträgt sie 177,8 – das ist beinahe dreimal so hoch wie der BAG-Grenzwert!
Dennoch warnt das Bundesamt nicht vor Reisen, da der Durchschnittswert im Land bis vor Kurzem unter 60 lag. Während sich das Coronavirus in einigen französischen Städten rasant ausbreitete, blieben andere Landesteile weitgehend Corona-frei: Wer in die Bretagne reist, setzt sich einem geringeren Infektions-Risiko aus, als in vielen Schweizer Kantonen.
Die Problematik zeigt sich in beide Richtungen: Liegt der Landes-Schnitt unter 60, können Reisende ungehindert in die Hotspots des Coronavirus wie Paris reisen. Liegt der Schnitt über 60, müssen auch Rückkehrer, die sich abseits der Hotspots aufgehalten haben, in Quarantäne.
Maurer braucht Hilfe: Armee bald wieder an der Grenze?
Die Grenzkantone der Schweiz pochen beim BAG darauf, dass es nur Gebiete Frankreichs auf die Quarantäneliste setzt. Wie «SRF» berichtet, bittet etwa der Genfer Staatsratspräsident um eine Änderung der Regelung.
Auch GDK-Präsident Lukas Engelberger beteuert, mit dem Bund in Kontakt zu stehen. Die Kantone würden derzeit mit dem BAG über eine Anpassung diskutieren.
Auf Anfrage von Nau.ch erklärt BAG-Sprecher Grégoire Gogniat, es stehe noch kein Zeitpunkt für die nächste Anpassung der Liste fest. «Wir beobachten und evaluieren die Situation und stehen in Kontakt mit den französischen Behörden und den Grenzkantonen.»
Etwas genauer wurde hingegen Bundesrat Ueli Maurer an der Pressekonferenz vom Mittwoch. Der Finanzminister gab Einblick in die Szenarien, sollte ein Nachbarland wie Frankreich betroffen sein.
«Wenn es wesentliche Änderungen gibt, müssten Zoll und Grenzwacht wieder unterstützt werden durch die Armee.» Auf Nachfrage bestätigte Maurer, dass dies für Frankreich zutreffe, obschon Details dann noch zu definieren wären. «Wenn Frankreich auf die Liste kommt, dann brauchen wir Verstärkung. In welchem Ausmass wäre noch offen.»
Risikogebiete: Belgien macht es vor
Dass es auch anders geht, zeigt Belgien. Der Staat an der Nordsee setzt Regionen statt Nationen auf seine Risikoliste. Das bekommen mittlerweile auch viele Schweizer Kantone zu spüren: Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Glarus, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Uri, Wallis, Waadt und Zürich stehen auf der orangen Liste. Die restlichen Kantone sind grün.
Zusätzlich zur Regionalisierung hat Belgien ein dreistufiges System eingebaut: Reisen in rote Gebiete sind Belgiern untersagt, wer in eine orange Region reist, muss danach in Quarantäne.
Im Vergleich zu einer Länder-Liste ist der Ansatz Belgiens mit einem gewissen Aufwand verbunden: Wer nach Belgien zurückkehrt, muss ein Online-Formular ausfüllen, indem Angaben zum Auslandsaufenthalt gemacht werden müssen. Anders lässt sich die Regionen-Quarantäne beim Coronavirus kaum umsetzen.
BAG prüft, hält den Aufwand aber für zu gross
Bis jetzt machte das BAG erst ein einziges Mal eine Ausnahme: Als Spanien auf die Risikoliste kam, wurden die Balearen vorerst noch ausgenommen. Die kanarischen Inseln bleiben derzeit als einzige Region in einem Quarantäneland von der Regel ausgenommen.
Dabei dürfte es vorerst auch bleiben. BAG-Sprecher Jonas Montani zeigt sich auf Anfrage vorsichtig: «Eine Regionalisierung ist mit einem deutlich höheren Aufwand bei den Berechnungen verbunden und die vorhandenen Daten stehen oft nicht zur Verfügung.»
Doch stimmt das tatsächlich? Der Grossteil des Schweizer Reiseverkehrs verteilt sich auf die EU-Länder, hier wäre eine Regionalisierung besonders wichtig. Das Europäische Zentrum für Krankheitsprävention und -Kontrolle ECDC berechnet die regionalen Daten wöchentlich.
Die Daten wären also leicht verfügbar. Das Problem bleibt die Überwachung, so Montani: «Es besteht die Gefahr, dass der Vollzug der Massnahme und die Überwachung der Quarantäne praktisch nicht mehr möglich ist.» Hierfür bräuchte man ein neues Meldesystem für Reise-Rückkehrer, wie es Belgien bereits eingeführt hat.
Man werde die Machbarkeit weiter prüfen, so der BAG-Sprecher. «Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erachten wir eine regionale Unterscheidung aber eher als Ausnahme denn die Regel.»