Coronavirus Schweden: Virologin kritisiert Unterschätzung der Gefahr
Mit seinem Sonderweg zur Bekämpfung des Coronavirus erhält Schweden viel Aufmerksamkeit. Und Kritik – wie etwa von einer einheimischen Virologin.
Das Wichtigste in Kürze
- In Schweden gelten weiterhin keine Ausgangs-Beschränkungen.
- Die schwedische Virologin Lena Einhorn kritisiert das Vorgehen scharf.
- Chef-Epidemiologe Tegnell vermittle einen falschen Eindruck, so die Kritik.
Schwedens Sonderweg im Umgang mit dem Coronavirus sorgt weltweit für Schlagzeilen. Chef-Epidemiologe Anders Tegnell und die Regierung geben nur Empfehlungen ab, verboten ist in dem skandinavischen Land kaum etwas.
Gemäss Tegnell hat das Land das Schlimmste bereits überstanden. Dafür erntet er aber auch in Schweden Kritik. So etwa von der schwedischen Virologin Lena Einhorn in der gestrigen SRF-Rundschau.
«Tegnell steht jeden Tag auf dem Podium und verkündet, dass die Situation alles in allem gut aussieht.» Einhorn widerspricht der Darstellung aber vehement: «Der Eindruck, den er vermittelt, stimmt nicht!»
Tatsächlich deutet die Kurve der Coronafälle nicht unbedingt auf ein Abflachen hin. Gemäss der Johns Hopkins-Universität gibt es im Schnitt pro Tag noch immer Fälle im mittleren dreistelligen Bereich.
Total haben sich bis am Donnerstagmorgen 27'909 Schweden mit dem Coronavirus infiziert, 3460 sind gestorben. Damit hat Schweden eine der höchsten Todesraten auf der Welt.
Dies liegt aber vor allem an den vielen Todesfällen in Altersheimen. Dass er die Alten nicht schützen konnte, hat Tegnell mittlerweile zugegeben. Denn: Es mangelt an Schutzmaterial und Personal.
Einhorn: Gefahr des Coronavirus «massiv unterschätzt»
Einhorn sagt: «Wir haben die Gefahren der Krankheit am Anfang massiv unterschätzt.» Auch den Standpunkt der Regierung zu den Schutzmasken versteht die Virologin überhaupt nicht. «Sie erklären bis heute, dass das Tragen von Schutzmasken meist unnütz sei.» Ausgenommen nur dann, wenn eine Kontaktperson schon Symptome zeige.
Matthias Egger, der Chef der Experten-Taskforce des Bundes, äussert sich in der Rundschau ebenfalls kritisch zum schwedischen Sonderweg. «Schweden hat das Ziel noch nicht erreicht, sie haben immer noch mehrere Hundert Fälle pro Tag.»
Allerdings kann er das Modell Schweden auch als Möglichkeit für die Schweiz sehen. «Schweden macht vieles auch gut, sie pflegen einen guten Kontakt mit der Bevölkerung.»