Coronavirus: Setzt Dänemark die Gesundheit der Jungen aufs Spiel?

Andrea Schweizer
Andrea Schweizer

Dänemark,

Dänemark will den Lockdown aufheben, sobald alle Ü50-Jährigen gegen das Coronavirus geimpft sind. Dies könnte besonders für junge Menschen gefährlich werden.

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Menschen auf Dänemarks Strassen während der Corona-Pandemie. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Dänemark plant schrittweise eine Rückkehr zur Normalität.
  • Spätestens wenn alle über-50-Jährigen geimpft sind, soll es so weit sein.
  • Besonders die Durchseuchung der jungen Bevölkerung könnte gefährlich werden.

Auf der Terrasse des Lieblings-Restaurants ein Kaffee trinken oder mal wieder ins Kino gehen. Däninnen und Dänen stehen kurz vor der Erfüllung dieser lang ersehnten Wünsche. Die Rückkehr zur «Normalität» steht kurz bevor.

Die Regierung um Mette Frederikson verkündete am Dienstag den schrittweisen Ausstieg aus dem Lockdown. Bedingung dafür ist, dass alle Über-50-Jährigen mit einer ersten Dosis gegen das Coronavirus geimpft wurden. Ende Mai soll es so weit sein. Bis Ende Juli soll dann jeder, der sich impfen lassen will, dies auch getan haben, so der Impfplan.

Gefährliche Durchseuchung bei Jungen

Zum ambitionierten Lockdown-Ausstieg gehören die Öffnung von Aussenbereichen der Restaurants, Friseur-Geschäften oder später auch Theater und Kinos. Grossveranstaltungen und Partys bleiben wegen erhöhter Infektionsgefahr allerdings bis auf Weiteres aus.

Neben den Impfungen sieht Dänemark einen Corona-Pass vor. Darin soll vermerkt sein, ob eine vollständige Impfung erfolgt ist oder ein negatives Testergebnis vorliegt. Zutritt zum Friseur oder ins Kino erhält nur, wer seinen Pass vorweisen kann.

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Regierungschefin Frederiksen bei ihrer Pressekonferenz - Ritzau Scanpix/AFP

Bereits nach kurzer Zeit häuft sich Kritik am Plan der dänischen Regierung. Sorgen bereitet das Vorgehen besonders im Hinblick auf die junge Generation. Ohne Impfung und Massnahmen dürfte sich bei ihnen schnell eine Durchseuchung einstellen. Doch wie gefährlich ist dies wirklich?

Eine Studie der ETH Zürich unter Professor Milo Puhan zeigte erst kürzlich die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion auf. Jeder Vierte leidet demnach unter Long Covid. 26 Prozent der 437 Befragten litten auch sechs Monate nach der Infektion noch an Symptomen. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 38 Jahren.

Keine Therapie für Langzeitfolgen von Coronavirus

Zu den besagten Symptomen gehören Husten, Atemnot, Müdigkeit, Tinnitus und viele weitere. Sie alle schränken die Lebensqualität beträchtlich ein. Eine Therapie gibt es bisher nicht. Ein lebenslanger Verlauf der Krankheit ist wahrscheinlich.

Zwei Politiker.
Pressekonferenz zur Corona-Pandemie: Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Uni Zürich (links), und Anne Lévy, Direktorin, BAG. - keystone

Das Team um Puhan rechnete in der Schweiz mit bisher 1,3 bis 1,5 Millionen Infizierten. Somit dürften also 250'000 bis 300'000 von Long Covid betroffen sein. «Gut möglich, dass diese Beschwerden bei einigen Patienten länger dauern», sagte Puhan gegenüber SRF. Besonders junge Frauen leiden häufiger unter den Folgen von Long Covid.

Experten raten von Durchseuchung ab

Deutschlands Corona-Experte Karl Lauterbach spricht derweil von einem «spektakulären Fehler». Die dänische Regierung würde mit ihrem Vorgehen bewusst eine Durchseuchung mit dem Coronavirus eingehen. «Das hat fatale Folgen», schreibt Lauterbach auf Twitter.

Bei der Durchseuchung würde man unzählige Menschenleben aufs Spiel setzen. Und nicht zu vergessen seien die Folgen von Long Covid bei den Jungen. «Für das #MECFS, eine die Lebensqualität stark einschränkende Störung des Denkens, Merkens und der Konzentrationsfähigkeit, haben wir bisher keine Therapie. Es gilt als unheilbar.»

Lauterbach ist aber längst nicht der einzige, der von einer Durchseuchung abrät. Bereits im Oktober äusserte sich die Weltgesundheitsorganisation WHO zu diesem Vorhaben wie folgt: «Niemals in der Geschichte des Gesundheitswesens wurde Herdenimmunität als eine Strategie gegen einen Ausbruch eingesetzt. Geschweige denn gegen eine Pandemie», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Keine Chance auf Herdenimmunität

Hinzu kommen die Virus-Mutationen. Sie befallen insbesondere die jüngere Bevölkerungsgruppe. Eine neue britische Studie zeigt auf, dass eine Durchseuchung, oder auch Herdenimmunität nur schwierig zu erreichen sind. Eine Immunisierung durch Impfen sei in der britischen Bevölkerung aufgrund der Mutationen kaum noch möglich.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits ist die britische Mutation ansteckender, als das ursprüngliche Coronavirus. Hinzu kommt, dass die Schwelle für eine Impf-Herdenimmunität höher ist, als jene, die durch Neuinfektionen ausgelöst wird. In ihrer Studie, die im Fachblatt «The Lancet» publiziert wurde, analysierten die Forscher verschiedene Szenarien.

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Setzt die Regierung um Mette Frederikson die Gesundheit der jungen Bevölkerung aufs Spiel? - Keystone

Doch auch wenn 85 Prozent der Bevölkerung geimpft würden, bestünde keine Chance auf eine Herdenimmunität. Alleine durch das Impfen ist die Ausbreitung der Pandemie also nicht aufzuhalten. Es sei unerlässlich, dass die Beschränkungen und Vorsichtsmassnahmen wie Abstand-Halten eingehalten würden, so die Forscher.

Fluchtmutationen bei hohen Fallzahlen

Eine Herdenimmunität wird gemäss der Studie normalerweise bei einer Durchimpfung von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung erreicht. «Selbst wenn alle Personen über 50 Jahren geimpft sind, sind immer noch starke Massnahmen erforderlich», schreiben die Studienautoren.

Was halten Sie vom dänischen Lockdown-Ausstieg?

«Wenn man während des Impfens hohe Fallzahlen zulässt, riskiert man Fluchtmutationen mit hoher Resistenz gegen Impfstoffe», twitterte Karl Lauterbach. Das Vorgehen Dänemarks ist europaweit bisher einzigartig. Ganz Europa dürfte also gespannt zusehen und abwarten, wie sich die Lage in Dänemark entwickelt.

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