Darstellungen von Kindesmissbrauch auch auf Schülerhandys
Beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern rücken online kursierende Abbildungen zusehends ins Visier. Ermittler dringen auf mehr Verfolgungsinstrumente. Sorgen bereiten auch Schülerhandys.
Das Wichtigste in Kürze
- Von der Polizei erfasste Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor allem im Internet nehmen weiter zu.
Im vergangenen Jahr wurden 42.075 Fälle in Deutschland bekannt und damit 7,4 Prozent mehr als 2021, wie das Bundeskriminalamt (BKA) mitteilte.
Auch für dieses Jahr sei ein weiterer Anstieg zu erwarten, sagte Präsident Holger Münch in Berlin. Hintergrund seien zusehends mehr Hinweise auf Missbrauchsdarstellungen im Internet aus den USA, die vom BKA geprüft und den Ländern für Ermittlungen zugeleitet werden. Die Dunkelziffer gilt dabei weiterhin als hoch.
Viele Darstellungen kursieren auch auf Smartphones von Schulkindern, wie die unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, deutlich machte. Dabei sei bekannt, dass Minderjährige oft nicht zielgerichtet handelten, wenn sie vermeintlich «coole» Bilder in Klassenchats teilten. Kinder müssten lernen, solches Material als sexuelle Gewaltdarstellungen zu identifizieren.
Strengere Vorgaben für Plattform-Anbieter gefordert
Claus forderte, die digitale Welt für Kinder sicherer zu machen, auch mit Vorgaben für Plattform-Anbieter. In der analogen Welt hätten Kinder ja auch keinen Zugang zu Spielhallen und Kneipen, aber zum Spielplatz. Zeichentrick- und Familienfilme seien im Kino selbstverständlich möglich, Thriller oder Hardcore-Sexfilme nicht.
BKA-Präsident Münch mahnte bessere Bedingungen für die Verfolgung und Aufklärung von Missbrauchsdarstellungen an, etwa mit Blick auf eine Speicherung von IP-Adressen, mit denen Computer identifizierbar sind. Häufig seien sie der einzige Ansatz für Ermittlungen, der zu Tätern führen könne – sonst müssten Verfahren eingestellt werden. Münch forderte auch angemessene Investitionen in Technik und Personal.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, der Europäische Gerichtshof habe ausdrücklich entschieden, dass IP-Adressen dafür gespeichert werden dürften. Sie setze sich weiter dafür ein, den Behörden die notwendigen Instrumente für den Kampf gegen diese Form schwerster Kriminalität an die Hand zu geben.
Zugleich werde weiter über europäische Regeln verhandelt, um Plattformen in die Pflicht zu nehmen, damit Missbrauchsdarstellungen entdeckt, gelöscht und die Täter verfolgt werden. Opfer sollten auch erfahren, ob Abbildungen noch im Umlauf sind. «So lange diese furchtbaren Missbrauchsbilder verfügbar sind, wird auch die Würde der Kinder – zum Teil bis ins Erwachsenenalter – immer und immer wieder verletzt.»
Niveau der erfassten Fälle bleibt hoch
Wie das BKA weiter mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 17.437 Kinder Opfer sexueller Gewalt, was ein gleichbleibend hohes Niveau der erfassten Fälle sei. «In Deutschland werden also pro Tag 48 Kinder Opfer sexueller Gewalt», sagte Münch.
Die Zahl der vollendeten Tötungsdelikte mit Kindern als Opfer nahm der polizeilichen Kriminalstatistik 2022 zufolge auf 101 ab. Faeser sagte, hinzuschauen und zu handeln, wann immer Gefahren für Kinder drohten, sei eine zentrale Aufgabe des Staates, aber auch der Gesellschaft insgesamt. «Kein Täter darf sich vor Strafverfolgung sicher fühlen. Das sind wir den Opfern dieser entsetzlichen Taten schuldig.»