Das Glücksrezept der Skandinavier

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Deutschland,

Eine strahlende Pippi Langstrumpf, leckere Zimtschnecken und eine gute Work-Life-Balance: Mit Skandinavien verbindet man überaus glückliche Menschen. Woher kommt dieses Glücksempfinden?

Catarina Lachmund vom Glücksforschungsinstitut Kopenhagen im Glücksmuseum.
Catarina Lachmund vom Glücksforschungsinstitut Kopenhagen im Glücksmuseum. - Demy Becker/dpa

«Witzige Katzenvideos», «Frieden in der Ukraine» und «Heisse Schokolade» – Tausende handgeschriebene Glücksrezepte und Wünsche schmücken die Wände eines kleinen Raums im Glücksmuseum mitten in der Kopenhagener Innenstadt.

In dem Raum beantworten Besucherinnen und Besucher auf gelben Papierzettelchen die Frage nach ihrem ganz persönlichen Glück. «Es ist tatsächlich unser absoluter Lieblingsraum», sagt Catarina Lachmund vom Glücksforschungsinstitut Kopenhagen, während sie durch das Meer von Notizzetteln schlendert.

Lachmund ist Deutsche und nach eigenen Angaben zwischen Skandinavien und Berlin «hin- und hergerissen». Schnell bemerkte sie Unterschiede im Umgang mit Zufriedenheit und Glück zwischen Deutschen und den Skandinaviern, denen generell eine hohe Zufriedenheit nachgesagt wird. Lachmund zufolge hat das gute Gründe. Es gehe sehr vielen Menschen sehr gut, aber vor allem gebe es extrem wenige Menschen, denen es überhaupt gar nicht gut gehe, sagt sie.

Weltglücksbericht: Deutschland auf Rang 14

Das belegt alle Jahre wieder der Weltglücksbericht, in dem die nordischen Länder stets ganz oben landen. In diesem Jahr wurde Finnland zum fünften Mal in Folge zum Land mit der glücklichsten Bevölkerung ernannt. Nach den glücklichen Finnen folgen Dänemark und Island. Deutschland kommt auf Rang 14 von 146 gelisteten Ländern. Wie hoch die Lebenszufriedenheit in einem Land ist, misst der Bericht anhand mehrerer Faktoren wie dem Bruttoinlandsprodukt, Freiheit der Lebensgestaltung und sozialer Unterstützung.

Besonders im Umgang mit Autoritäten sieht Lachmund zwischen den nordischen Ländern und Deutschland einen entscheidenden Unterschied. Das Vertrauen in Regierung und Behörden sei in Skandinavien grösser – sie beschreibt es als «nahezu unerschütterlich». Dieses Grundvertrauen habe sich vor allem in Corona-Hochphasen gezeigt. Grössere Proteste gegen die Corona-Politik habe es in Dänemark kaum gegeben – anders als beim südlichen Nachbarn Deutschland.

«Je mehr Stressoren in meinem Leben drin sind, desto...»

Die Bürokratie ist dem Glücksforscher Tobias Rahm zufolge ein Faktor, der zu Unzufriedenheit in Deutschland beiträgt. Als Lösung schlägt der Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig vor: «Unnötiges Behördendenken und unnötige Bürokratie runterfahren und abschaffen.» Denn: «Je mehr Stressoren in meinem Leben drin sind, desto grösser ist das Potenzial, unangenehme Gefühle zu haben.»

Die skandinavische Zufriedenheit hängt auch von den Genen ab. Glücksforscher seien sich relativ einig, dass rund 50 Prozent der Faktoren, die einen glücklich und zufrieden machten, genetische Ursachen habe, sagt der Zufriedenheitsforscher Uwe Jensen von der Uni Kiel. «Da ist der Norden Europas ziemlich gut aufgestellt.» Hinzu kommen äusserst gute Lebensverhältnisse, also etwa eine hohe Lebenserwartung, relativer Wohlstand, wenig Ungleichheit und viel Freiheit. «So lässt es sich gut leben», erklärt Jensen. Dies schwappe auch auf Norddeutschland über.

Schleswig-Holstein im Schnitt die glücklichsten im Ländervergleich

Dem «Glücksatlas» zufolge sind Menschen in Schleswig-Holstein mit ihrer norddeutschen Gelassenheit seit Jahren im Schnitt die glücklichsten im Bundesländervergleich. «Das ist kein Zufall, denn ein zufällig ausgewählter Schleswig-Holsteiner hat – trotz aller Wanderungsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg – mit einer grösseren Wahrscheinlichkeit dänische Gene in sich als zum Beispiel ein Sachse», so Jensen.

Auch Traditionen und Bräuche haben laut dem Forscher einen positiven Effekt auf die Zufriedenheit. Diese vermieden etwa Stress und erinnerten regelmässig an die schönen Seiten des Lebens.

Skandinavische Traditionen wie die dänische «Hygge»-Kultur sind gute Beispiele dafür, wie Bräuche echte Wohlfühlmomente schaffen können. Es gibt für den Alltagsbegriff laut Lachmund keine Übersetzung, dafür aber gleich mehrere Dinge, die damit in Verbindung gebracht werden, etwa warme Getränke, Kerzen, offenes Feuer – und das meist in Gesellschaft. Hygge kann auch der klassische Sonntagsbraten sein. «Je länger er vor sich her köchelt, desto Hygge», sagt die 37-Jährige.

Und wir Deutschen?

Glücksforscher Rahm kann sich vorstellen, dass «wir in Deutschland ein bisschen mehr in Richtung Perfektionismus unterwegs sind, als das in einigen anderen Ländern der Fall ist». Dies kann zu geringerer Lebenszufriedenheit führen. Kann man diese Zufriedenheit denn lernen? Man könne «ganz explizit Kompetenzen direkt trainieren und vermitteln, die gut sind für das langfristig glücklich gelingende Leben». Dazu gehöre, Menschen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.

Rahm wünscht sich, dass das Bewusstsein für das Wohlbefinden in Deutschland höher wäre, und Lachmund schildert in Kopenhagen ein Beispiel aus dem Alltag: «Es ist ja in Berlin nicht so viel wärmer oder heller als hier, aber der Umgang damit ist halt ein anderer», sagt sie. «Menschen zwingen sich in Berlin raus und fahren irgendwie die Geschwindigkeit nicht runter.» Wenn man in Dänemark rausgehe, «dann für richtig, richtig Quality-Time und nicht für ein Bier um die Ecke».

«Städtetrips mit meiner Mama», «Welpen» oder «Corona-Impfungen», steht auf den Zettelchen im Glücksmuseum – Glück ist vielfältig. Gibt es ein dänisches Glücksrezept in Sachen Zufriedenheit, von dem sich die Deutschen etwas abschauen können? Lachmund muss nicht lange überlegen, die Antwort scheint einfach: «Alles halb so wild. Wird schon gut gehen!», sagt sie zuversichtlich.

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