Deshalb wählen so viele Junge die AfD
Das Wichtigste in Kürze
- Die Alternative für Deutschland schnitt bei jungen Wählern sehr gut ab.
- Am Sonntag fanden in den Bundesländern Landtagswahlen statt.
- Drei Experten erklären, wie das Ergebnis zustande kam.
Dass die Jugend sich engagiert, zeigt sich beispielsweise an den Schulstreiks Fridays for Future. Die Jugend scheint progressiv. Doch die Wahlen in den deutschen Bundesländern Sachsen und Brandenburg zeichnen ein anderes Bild.
Zwar schnitten die Grünen in beiden Ländern bei den Jungwählern gut ab, die Alternative für Deutschland (AfD) aber ebenfalls. In Brandenburg stimmten 23 Prozent der unter 30-Jährigen für die Grünen, 22 Prozent für die AfD.
In Sachsen gingen ebenfalls 22 Prozent der Jungwählerstimmen an die AfD, 19 Prozent dafür an die Grünen. Bei den Erstwählern konnte die AfD ebenfalls viele Stimmen abholen. In Sachsen zehn Prozent, in Brandenburg acht Prozent.
Gesellschaftliches Klima bestimmend
Doch woher kommt die Begeisterung für eine Partei mit teilweise rechtsextremem Kader? Gegenüber der deutschen Zeitung «Tagesspiegel» sagt Soziologe Wilhelm Heitmeyer: «Auch Jugendliche können sich nicht abkoppeln vom gesellschaftlichen Klima, in dem es Einstellungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gibt. »
Heitmeyer forscht zum Aufkommen autoritärer Bewegungen. Wenn man sich im Alltag unterlegen fühle, dann wolle man auf Gruppenebene Überlegenheit gegenüber anderen Gruppen demonstrieren, um sich aufzuwerten. Genau so verhalte es sich bei den jungen AfD-Wählern.
«Die AfD operiert mit den Ängsten der Menschen über Kontrollverlust über die eigene Biografie, die eigenen Grenzen, die eigene Gruppe», führt Heitmeyer aus. Gleichzeitig verspreche die Partei die Wiederherstellung von Kontrolle.
Hoher Druck in ländlichen Gebieten
Dazu kommt der Faktor Land. Heitmeyer: «Es gibt tatsächlich ein siedlungsgeografisches Problem, das selten beachtet wurde: In Dörfern und Kleinstädten existiert ein sehr viel höherer Konformitätsdruck.»
Zu gut Deutsch: Gruppendruck. Wenn man da nicht standfest sei, müsse man sich anpassen oder wegziehen.
Gegenüber dem Portal «Bento» sagt der Soziologe Matthias Quent: «Junge Menschen werden nicht nur durch ‹Fridays for Future› geprägt, sondern vor allem in Familien.» So entstehe der Blick auf die Welt vom Esstisch – die Jungen übernehmen die Enttäuschung der Eltern.
Etwa die Enttäuschung, wie der Mauerfall 1989 ausging. Die AfD sprach im Wahlkampf von einer «Wende 2.0», knüpfte also am Mauerfall an. Laut Quent würden die Schulen in Deutschland zu wenig für die politische Bildung tun.
Abgehängt auf dem Land
Anders klingt es bei der Politikwissenschaftlerin Astrid Lorenz. Gegenüber «Jetzt» sagt sie: «Auf dem Land gibt es eine grössere Bereitschaft die AfD zu wählen, weil sich die anderen Parteien zu wenig um die Menschen dort gekümmert haben.» Die Grünen, die SPD oder die Linken hätten sich zu sehr auf die Städte konzentriert.
Viele auf dem Land hätten den Eindruck, dass sie von der Politik abgehängt wurden. Etwa, weil weniger Busse fahren würden oder es keine Jugendclubs gebe. Die AfD könne sich als neue und unbelastete Kraft positionieren, die etwas gegen diese Probleme tue.
Laut Lorenz sind aber die jungen AfD-Wähler für die anderen Parteien nicht verloren. Man müsse nun einerseits online präsenter werden, aber auch physisch. Etwa mit Ortsverbänden.