Deutsche sind bei Flüchtlingsaufnahme gespalten
Soll Deutschland nur Menschen aus Afghanistan Zuflucht gewähren, die für deutsche Institutionen gearbeitet haben? Schon jetzt ist klar, dass auch Menschenrechtsaktivisten und Journalisten aufgenommen werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Wer sich als Politiker für oder gegen eine grosszügige Aufnahme afghanischer Flüchtlinge stellt, muss in jedem Fall mit Gegenwind rechnen.
Denn eine Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zeigt: In dieser Frage ist die deutsche Bevölkerung gespalten. 46 Prozent der Teilnehmer der repräsentativen Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut YouGov sprachen sich in der vergangenen Woche gegen die Aufnahme einer grösseren Zahl afghanischer Flüchtlinge in Deutschland aus. Insgesamt 47 Prozent der Befragten plädierten dafür, einer grösseren Zahl von Menschen aus Afghanistan in Deutschland Schutz zu gewähren.
Allerdings knüpft ein Teil der Befürworter einer grosszügigen Aufnahme diese an eine Bedingung: Jeder Vierte will, dass Deutschland nur dann eine grössere Zahl von afghanischen Flüchtlingen ins Land lässt, falls andere EU-Staaten dies ebenfalls tun. Lediglich 22 Prozent der Deutschen wären auch dann für eine Aufnahme vieler Menschen aus Afghanistan, wenn andere EU-Staaten dabei nicht mitziehen sollten.
Die anderen EU-Staaten
Die Innenminister der Europäischen Union hatten bei einem Treffen am vergangenen Dienstag keine gemeinsame Position zum Umgang mit Migranten aus Afghanistan gefunden. «Anreize zur illegalen Migration sollten vermieden werden», hiess es in einer Erklärung der Minister. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich dagegen ausgesprochen, jetzt schon konkrete Zahlen für eine Ansiedlung afghanischer Flüchtlinge in EU-Staaten zu nennen.
Die Bundesregierung bemüht sich nach eigenen Angaben auch nach dem Ende der Evakuierungsflüge darum, ehemaligen Ortskräften der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen zu helfen und diese auch nach Deutschland zu bringen. Aussenminister Heiko Maas (SPD) hat dazu Gespräche in mehreren Nachbarländern Afghanistans geführt. Auch einige Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Frauenrechtlerinnen erhielten eine Aufnahmezusage aus humanitären Gründen.
Schwierig, das Land zu verlassen
Für diejenigen von ihnen, die aktuell noch in Afghanistan sind, ist es jedoch nach Einschätzung von Beobachtern schwierig, das Land zu verlassen. Das liege einerseits an den Kontrollen der Taliban auf Überlandstrassen und an Grenzübergängen. Andererseits begrenzten Nachbarstaaten wie der Iran die Einreise.
Am 15. August hatten die militant-islamistischen Taliban praktisch kampflos die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen. In der Nacht zum 31. August verliess die letzte US-Militärmaschine das Land. Die Machtübernahme der Taliban nach 20 Jahren hat eine Fluchtbewegung ausgelöst.
Die grösste Zustimmung für die Aufnahme einer grösseren Zahl von afghanischen Flüchtlingen in Deutschland - notfalls auch im Alleingang - findet sich laut Umfrage bei den Anhängern der Grünen. Praktisch kein AfD-Anhänger votierte dafür. Im Westen ist die Aufnahmebereitschaft etwas grösser als im Osten.