Erste West-Nil-Virus-Infektion erfasst – «erhöhte Aktivität»

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Deutschland,

Mit dem West-Nil-Virus übertragen einheimische Stechmücken seit einigen Jahren einen potenziell tödlichen Erreger. In diesem Jahr könnte es vergleichsweise viele Fälle geben.

Infektionen
In diesem Jahr könnte es besonders viele Infektionen mit dem Erreger in Deutschland geben. (Archivbild) - Cynthia Goldsmith/CENTERS FOR DISEASE CONTROL/EPA/dpa

Für Deutschland ist inzwischen erstmals in diesem Jahr ein Fall einer von heimischen Stechmücken übertragenen West-Nil-Virus-Infektion erfasst worden. Betroffen sei eine Frau, teilte das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin mit. Bis zum 23. August seien zudem drei weitere Fälle registriert worden, die auf Reisen in andere Länder zurückgehen. Auch dabei seien Frauen betroffen.

Die von heimischen Mücken übertragene Infektion bei einer Frau aus Sachsen in der Grenzregion zu Brandenburg sei bei der Analyse einer Blutspende-Probe nachgewiesen worden, erklärte Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.

Hohe Aktivität in diesem Jahr

Mit weiteren Fällen sei zu rechnen: Die verfügbaren Daten wiesen auf eine erhöhte Aktivität hin. So gebe es vergleichsweise viele erfasste Infektionen mit dem Erreger bei Pferden und Vögeln. Vom zuständigen Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) wurden bis zum 23. August 18 Nachweise bei Vögeln und 14 bei Pferden erfasst. «Besonders betroffen sind die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen.»

Ein weiterer Hinweis auf viele Übertragungen sei die vergleichsweise hohe Zahl eingeschickter auffälliger Proben von Blutspendern, erklärte Schmidt-Chanasit. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass der am häufigsten verwendete Screening-Test auch beim Usutu-Virus anschlage. Dieser Erreger verursacht aktuell ein massives Amselsterben in Deutschland. Menschen können sich Schmidt-Chanasit zufolge damit anstecken, erkranken aber selten.

Nachweis zeitlich verzögert

«Zwischen beiden Viren aufgrund von Sequenzanalysen zu unterscheiden, ist sehr aufwendig und gelingt nicht immer», erklärte der Virus-Experte. Die langwierigen Tests sorgten zudem für eine zeitliche Verzögerung von einigen Wochen zwischen Probennahme und dem bestätigten Endergebnis basierend auf einer Virus-Sequenzierung. Es könnten also bereits deutlich mehr Infektionen aufgetreten sein, deren gesicherter Nachweis aber noch aussteht.

Generell gibt es beim West-Nil-Virus eine sehr hohe Dunkelziffer nicht erfasster Fälle, da eine Infektion in etwa 80 Prozent der Fälle ohne Symptome verläuft. Bei knapp 20 Prozent gibt es dem RKI zufolge milde, unspezifische Symptome wie Fieber oder Hautausschlag – auch sie bleiben häufig unbeachtet.

Schwerere und tödliche Verläufe des West-Nil-Fiebers betreffen meist ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Nur etwa ein Prozent der Infektionen führen zu solchen schweren neuroinvasiven Erkrankungen.

Ausbreitung auf dichter besiedelte Gebiete

Mit einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen bei Menschen sei zu rechnen, wenn das Virus sich im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet auszubreiten beginne, sagte Schmidt-Chanasit. Bisher seien die Mücken dort trotz der klimatisch günstigen Bedingungen wohl noch frei von dem Erreger – es sei aber damit zu rechnen, dass sich das ändere.

Im vergangenen Jahr waren vom RKI 7 von heimischen Mücken übertragene West-Nil-Infektionen in Deutschland erfasst worden, im Jahr davor 17. Experten gehen von einem Anstieg der Fallzahlen in den kommenden Jahren aus, unter anderem wegen der im Zuge des Klimawandels immer günstigeren Bedingungen für den Erreger. In Süd- und Südosteuropa gibt es schon seit längerem grössere Ausbrüche.

Das West-Nil-Virus (WNV) stammt ursprünglich aus Afrika, wie es beim FLI heisst. Es wurde demnach erstmals 1937 im West-Nil-Distrikt in Uganda festgestellt, in Europa trat es Anfang der 1960er Jahre in Frankreich erstmals auf. In Deutschland wurde im August 2018 erstmals ein mit dem Erreger infizierter Vogel gefunden. 2019 hatte das RKI erstmals Infektionen bei Menschen erfasst, die auf eine Übertragung durch heimische Mücken zurückgingen.

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Kommentare

User #2285 (nicht angemeldet)

Hat die WHO wieder etwas entdeckt ihre Existenzberechtigung zu beweisen?

User #3459 (nicht angemeldet)

Hauptsächlich wird das Virus von Stechmücken zwischen wildlebenden Vögeln übertragen. An Vögeln infizierte Mücken können das Virus aber auch auf Menschen und andere Säugetiere (v.a. Pferde) übertragen. Die für Stechmücken günstige Saison ist je nach lokalem Klima und kurzfristigen Wetterschwankungen unterschiedlich lang. In Südeuropa werden Übertragungen häufig bis in den November beobachtet. Besonders Personen, die aufgrund hohen Alters oder Immunschwäche ein erhöhtes Risiko haben durch eine WNV-Infektion schwer zu erkranken, können das Risiko durch Schutz vor Mückenstichen reduzieren. Dazu gehört an Orten mit bekannter Mückenbelastung das Tragen von langärmeligen Hemden/Blusen und langen Hosen, am Abend der Aufenthalt in geschlossenen oder klimatisierten Räumen, die Anwendung von Repellents und Insektiziden, der Gebrauch von Moskitonetzen und Fenstergittern. Im Wohnumfeld sollten Mückenbrutplätze möglichst beseitigt werden. Ein Impfstoff ist bislang nicht verfügbar. Die Infektionen verlaufen überwiegend klinisch unauffällig. Etwa 20% der Infizierten entwickeln eine fieberhafte, grippeähnliche Erkrankung, die etwa 3–6 Tage andauert. Die Inkubationszeit beträgt 2–14 Tage. Der Krankheitsbeginn ist abrupt mit Fieber (teilweise biphasisch), Schüttelfrost, Kopf- und Rückenschmerzen, Abgeschlagenheit und Lymphknotenschwellungen. Bei etwa 50% dieser Erkrankten findet man ein blasses, makulopapulöses Exanthem, das sich vom Stamm zum Kopf und zu den Gliedmaßen ausbreitet.

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