Schröder verliert Sonderrechte - Folgen weitere Schritte?
Öffentliches Ansehen am Boden, Parteibuch wackelt - und nun verliert der frühere Kanzler Schröder auch sein staatlich finanziertes Büro. Das könnte noch nicht alles sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundestag hat Gerhard Schröder einen Teil seiner Sonderrechte als früherer Bundeskanzler entzogen.
Der Haushaltsausschuss beschloss am Donnerstag die Abwicklung seines Büros, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Ausschusskreisen erfuhr.
Das Ausschussvotum für einen entsprechenden Antrag der Ampel-Koalition ist der vorläufige Höhepunkt der Ächtung Schröders wegen seiner anhaltenden Verbindungen zu Russland - auch wenn die Streichung des Büros aus rechtlichen Gründen gar nicht mit Schröders Russland- und Putin-Beziehungen begründet wird. Zugleich forderte das Europaparlament EU-Sanktionen gegen den Altkanzler.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüsste den Bundestagsbeschluss. «Die Entscheidung des Deutschen Bundestages im Hinblick auf den früheren Bundeskanzler ist folgerichtig und auch eine, die deshalb auch umgesetzt werden wird», sagte er am Donnerstag bei einem Besuch in den Niederlanden. EU-Sanktionen gegen Schröder lehnte Scholz aber ab. «Das ist die Entscheidung, die jetzt notwendig ist, weitere halte ich nicht für erforderlich.» EU-Sanktionen müssten alle Mitgliedsstaaten zustimmen - also auch Deutschland.
Schröders verbliebenes Büro-Personal soll anderweitige Aufgaben übernehmen. Mehrere Mitarbeiter hatten ihre Posten bereits aufgegeben. Für Personalausgaben in Schröders Büro waren im vergangenen Jahr mehr als 400.000 Euro aus der Staatskasse geflossen. Anrecht auf ein Ruhegehalt und auf Personenschutz hat der frühere Kanzler aber weiterhin.
Sein Ruhegehalt darf Schröder behalten
Die Union hätte dem SPD-Politiker am liebsten auch sein Ruhegehalt gestrichen. Sie warf Schröder unter anderem vor, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden. Die SPD hatte es zuvor mit Eigentumsansprüchen begründet, dass das Ruhegehalt unangetastet bleibt. Ihre Parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast richtete den Blick ihrerseits auch auf das frühere Vorgehen der Union. Sie erinnerte an das Ausscheiden von Helmut Kohl als Bundeskanzler und die damalige CDU-Parteispendenaffäre. Sie hätte sich gefreut, wenn die Union damals mehr Mut gezeigt hätte - ähnlich wie die SPD heute gegenüber dem SPD-Altkanzler, so Mast.
Die Ampel-Koalitionäre begründen die Streichung von Schröders Privilegien nicht mit dessen Haltung zu Russland und Putin. Das soll sie weniger angreifbar machen. Die Ausstattung ehemaliger Kanzler soll künftig «nach den fortwirkenden Verpflichtungen aus dem Amt» erfolgen - «und nicht statusbezogen». Die Alimentierung wird davon abhängig, ob die früheren Top-Politiker tatsächlich noch Aufgaben übernehmen, also etwa Schirmherrschaften haben und Reden halten. Schröder nehme keine Verpflichtungen aus seiner Zeit als Bundeskanzler mehr wahr.
«Lobbyarbeit für Putin»
Finanzminister Christian Lindner meldete sich via Twitter zu Wort. «Ein ehemaliger Kanzler, der heute offen Lobbyarbeit für die verbrecherische Herrschaft von Putin macht, sollte dafür kein Büro von den Steuerzahlerinnen & Steuerzahlern gestellt bekommen», lobte der FDP-Mann den Ampel-Beschluss.
Schröder - von 1998 bis 2005 Bundeskanzler - hatte nach seiner Amtszeit Aufgaben unter anderem für die Pipeline-Gesellschaft Nord Stream, die russische Gazprom und den Energiekonzern Rosneft übernommen. Der Berlin-Chefin der «New York Times» hatte der 78-Jährige im April in seinem Büro in Hannover ein Interview gegeben, dass es auch Sicht seiner Kritiker - allen voran der SPD-Parteispitze - in sich hatte.
«Ich mach nicht auf mea culpa. Das ist nicht mein Ding», sagte Schröder darin. Er glaube nicht, dass die Befehle für das Massaker von Butscha bei Kiew von Putin gekommen seien. Zudem bekundete er, von seinen Posten bei russischen Energiekonzernen nur zurücktreten zu wollen, wenn der russische Präsident den Gashahn zudrehe. Weiter bereit zeigte sich Schröder, seine Freundschaft zu Putin für neue Vermittlungsversuche zu nutzen.
Die Not der SPD mit Schröder
Die Reaktion der SPD war die Aufforderung Schröders zum Partei-Austritt. «Gerhard Schröder agiert seit vielen Jahren schon als Geschäftsmann und wir sollten damit aufhören, ihn als Elder Statesman, als Altkanzler wahrzunehmen», sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken damals. Die SPD-Spitze hatte von Schröder bereits zwei Monate zuvor gefordert, sich von seinen Russland-Posten zu trennen.
Perspektivisch könnten die Beschneidungen bei den Büros auch Auswirkungen auf Ex-Kanzlerin Angela Merkel haben. Die CDU-Politikerin verfügt ebenfalls über ein Büro und bekam erst vor wenigen Monaten neun Mitarbeiter mit Gehältern bis zu 10 000 Euro bewilligt. Das sind zwei Mitarbeiter mehr als Schröder nach seiner Kanzlerschaft 2005 hatte.
Schröder könnte weiteres Ungemach drohen
Vor dem Beschluss des Haushaltsausschusses hatte sich das EU-Parlament in einer Resolution mit grosser Mehrheit für EU-Sanktionen gegen Schröder ausgesprochen. Der Schritt dürfte den Druck auf die zuständige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den Aussenbeauftragten Josep Borrell erhöhen, einen Vorschlag für die Aufnahme Schröders auf die EU-Sanktionsliste vorzulegen. Sollte dieser dann angenommen werden, könnten in der EU vorhandene Vermögenswerte Schröders eingefroren werden.
Auf EU-Ebene geht es nicht um Schröder allein. Die Staaten werden vom Parlament aufgefordert, die Sanktionen auch auf Europäer in russischen Unternehmen-Leitungsorganen sowie auf Politiker mit Bezügen aus Russland auszuweiten. Genannt werden ehemalige EU-Regierungschefs wie Wolfgang Schüssel (Österreich) und François Fillon (Frankreich), die von ihren Ämtern bei russischen Unternehmen bereits zurückgetreten waren, die parteilose ehemalige Aussenministerin Österreichs Karin Kneissl und Schröder.