EU-Staaten: Neue Sanktionen gegen den Iran
Die EU verschärft ihren Kurs gegenüber dem Iran. Mit dem dritten Sanktionspaket wollen die 27 Mitgliedstaaten deutlich machen, dass die jüngsten Entwicklungen inakzeptabel sind.
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU-Staaten haben sich angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran auf ein neues Sanktionspaket verständigt.
Der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel nahm am Freitag einstimmig entsprechende Pläne an, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Der förmliche Beschluss soll bereits am Montag ohne nochmalige Aussprache bei einem Aussenministertreffen gefasst werden.
Konkret sollen von den Strafmassnahmen 31 Personen und Einrichtungen betroffen sein – darunter zum Beispiel ranghohe Vertreter der Polizei und der Basidsch-Milizen. Sie sehen vor, dass Einreiseverbote erlassen werden und in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden.
Hintergrund der Sanktionen ist die brutale Unterdrückung von Protesten nach dem Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte die junge Frau am 13. September festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstossen haben soll. Amini starb dann am 16. September in Polizeigewahrsam.
Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Zehntausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamischen Herrschaftssystem. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden bisher fast 15.000 Teilnehmer von Demonstrationen festgenommen.
Sondersitzung im UN-Menschenrechtsrat?
Für das neue EU-Sanktionspaket setzte sich in Brüssel insbesondere Deutschland ein. Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte bereits im Oktober angekündigt, den Kurs gegen Teheran verschärfen zu wollen und dabei auch Arbeiten an neuen Strafmassnahmen angekündigt. Am Mittwoch schrieb sie auf Twitter: «Wir stehen an der Seite der Männer & Frauen in Iran, und zwar nicht nur heute, sondern: so lange es notwendig ist.»
Nach Angaben von Baerbock wird auch daran gearbeitet, dass es im UN-Menschenrechtsrat eine Sondersitzung zum Iran gibt und ein Aufklärungsmechanismus mandatiert wird. Die ebenfalls von Baerbock ins Spiel gebrachte Idee, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen, dürfte allerdings nach Angaben aus EU-Kreisen nicht kurzfristig umsetzbar sein. Grund sind demnach offene rechtliche Fragen und Vorbehalte anderer EU-Staaten.
Die Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation könnte nach Ansicht von Kritikern die ohnehin schon geringen Chancen auf eine Fortführung des Atomabkommens mit dem Iran mindern. Mit diesem soll Iran eigentlich dauerhaft zu einem Verzicht auf die Entwicklung von Atomwaffen bewegt werden. Beobachter erwarten im Falle einer Einstufung als Terrorgruppe scharfe Reaktionen aus Teheran.
Die Revolutionsgarden (IRGC) sind im Iran die Eliteeinheit der Streitkräfte und weitaus wichtiger als die klassische Armee. Sie unterstehen direkt dem obersten Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. Die Einheit hat auch grossen politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Land. Jüngst verlangte der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hussein Salami, in einer Rede ein Ende der Demonstrationen. «Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren», warnte der General vor rund zwei Wochen.
Vorwurf der rechtswidrigen Gewalt gegen Frauen
Bereits Mitte Oktober hatte die EU ein erstes Sanktionspaket wegen der jüngsten Entwicklungen beschlossen. Es richtete sich gegen die iranische Sittenpolizei und mehr als ein Dutzend weitere Personen und Organisationen. Auch damals wurden schon Mitglieder der Basidsch-Milizen sanktioniert, die von der EU für den Tod mehrerer Demonstranten verantwortlich gemacht wird.
Der iranischen Sittenpolizei wird konkret vorgeworfen, rechtswidrige Gewalt gegen Frauen wegen Nichteinhaltens der iranischen Gesetze zum Tragen des islamischen Hidschabs sowie sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt ausgeübt zu haben. Zudem soll die Sondereinheit willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen vorgenommen sowie übermässige Gewalt und Folter ausgeübt haben.
Zum Tod von Mahsa Amini hiess es im Oktober im Amtsblatt, die junge Frau sei am 13. September willkürlich verhaftet worden, weil sie angeblich ihren Hidschab nicht ordnungsgemäss getragen habe. Dann sei sie für einen «Erziehungs- und Orientierungskurs» in das Hauptquartier der Sittenpolizei gebracht worden. Zuverlässigen Berichten und Zeugen zufolge sei sie brutal geschlagen und misshandelt worden, was schliesslich zu ihrem Tod am 16. September geführt habe. Die Polizei bestreitet diese Darstellung bis heute.
Unabhängig von den Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen verhängte die EU jüngst auch neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Unterstützung des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Von ihnen sind bislang das Unternehmen Shahed Aviation Industries sowie drei ranghohe Militärs betroffen. Sie sind nach Auffassung der EU an der Entwicklung und Lieferung von Kampfdrohnen an Russland beteiligt, die von den russischen Streitkräften im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden.