Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ahnt Klimaklagezunahme
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erwartet in den kommenden Jahren mehr Klagen im Zusammenhang mit Klimaschutz und der Folgen der Klimaveränderung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Klimaproblematik wird für das EGMR in den folgenden Jahren immer bedeutender werden.
- Das EGMR sei ein gutes Instrument, um auf Klimaprobleme zu reagieren.
- Die Digitalisierung werde ebenfalls neue Herausforderungen mit sich bringen.
Klima- und Umweltfragen werden die Justiz in Zukunft stärker beschäftigen. Das meint die deutsche Richterin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Angelika Nussberger.
Die Klimaproblematik könnte mithilfe der Grundrechte zu den Gerichten gebracht werden, sagte Nussberger der Deutschen Presse-Agentur. Sie könne sich vorstellen, dass auch Prozesse wegen nicht ausreichender Klimaschutzmassnahmen zunehmen. Nach neun Jahren scheidet die derzeitige Vizepräsidentin des Gerichtshofes zum Jahresende turnusmässig aus.
Die Europäische Menschenrechtskonvention, sei ein gutes Instrument, um auf Umweltschäden zu reagieren, so die Richterin. Die Konvention muss von allen Mitgliedsstaaten des Europarats vor ihrer Aufnahme unterzeichnen werden. Ein gutes Beispiel dafür sei eine Beschwerde am EGMR bereits aus den 90er-Jahren, sagte Nussberger.
Damals sprach der Gerichtshof einer Spanierin rund 4,5 Millionen spanische Peseta (heute rund 35 000 Euro) zu. Die spanischen Behörden hätten ihrer Ansicht nach nicht genug unternommen, um die Frau vor Dämpfen aus einer Müllverarbeitungsfabrik zu schützen.
Auch die Digitalisierung bringt neue Herausforderung für die Rechtsprechung des Gerichtshofes mit Sitz im französischen Strassburg mit sich. «Man muss viele der Standards neu denken», so Nussberger.
Generell sei die Menschenrechtskonvention dafür aber ausreichend. «Meistens kann man die Grundsätze übernehmen. Sie ist so formuliert, dass sich alle Sachverhalte gut abdecken lassen.» Die Verschiebungen in den Gesellschaften führe auch immer zu neuen Grundrechtskonflikten, erklärt die Richterin.
Wer seine Grundrechte verletzt glaubt, kann den 1959 gegründeten EGMR anrufen. Die Hürden für eine Anerkennung sind allerdings hoch, die meisten Beschwerden werden abgewiesen.
In erster Linie sollen die Nationalstaaten die Grundrechte schützen. So muss in Deutschland zunächst das Bundesverfassungsgericht einen Kläger abweisen, damit sich dieser überhaupt an Strassburg wenden kann. Trotz der hohen Hürden hat der EGMR alle Hände voll zu tun. Laut Nussberger sind derzeit rund 60 000 Fälle anhängend.