Franzosen bleiben Wahllokalen in Corona-Krise fern
Das Wichtigste in Kürze
- Bürger trotz Coronavirus-Pandemie zur Wahl neuer Stadt- und Gemeinderäte aufgerufen.
Landesweit waren fast 48 Millionen Wähler seit dem Morgen aufgerufen, neue Stadt- und Gemeinderäte zu bestimmen. Prognosen wurden ab 20.00 Uhr erwartet.
Die Wahlen gelten als wichtiger Stimmungstest auf dem Weg zu den französischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022. Wegen des Coronavirus wurden die 35.000 französischen Kommunen unter anderem aufgerufen, älteren Wählern Vorrang einzuräumen, einen Mindestabstand zwischen den Menschen zu garantieren und Desinfektionsgel bereitzustellen. Damit sollte die Ansteckungsgefahr minimiert werden.
Das Innenministerium empfahl sogar das Mitbringen eines eigenen Stifts - «vorausgesetzt, die Tinte ist blau oder schwarz und nicht entfernbar». Präsident Macron hatte das Festhalten an den Wahlen damit begründet, das demokratische Leben müsse weitergehen.
«Praktisch jeder bringt seinen Stift mit», sagte Daniel Mooser, ein pensionierter Ladenbesitzer in Escames, einer Gemeinde nördlich von Paris. Die Wahlen trotz der Coronavirus-Pandemie stattfinden zu lassen, sei «keine leichte Entscheidung», sagte der 74-Jährige, während er die Wähler bat, mit Plastikhandschuhen auf der Wahlliste zu unterschreiben.
Die französische Regierung hatte am Samstagabend die Schliessung von Cafés und Restaurants sowie der meisten Geschäfte angeordnet. Am Sonntag wurde auch die sofortige Schliessung aller Skigebiete angekündigt. Ab Montag bleiben zudem alle Schulen, Hochschulen und Kindertagesstätten im Land geschlossen.
In den kommenden Tagen soll auch der öffentliche Verkehr stark eingeschränkt werden. Frankreich gilt in der EU als eines der am meisten betroffenen Länder. Zuletzt wurden nach Angaben der Regierung 4500 Infektionen und 91 Todesfälle gezählt.
Beobachter rechnen bei der Wahl mit einer Quittung für Präsident Emmanuel Macron, gegen dessen Rentenreform zuletzt hunderttausende Menschen auf die Strasse gegangen und in Streik getreten waren. Seine 2016 gegründete Partei La République en Marche (Die Republik in Bewegung) ist im Land kaum verankert und tritt erstmals zu landesweiten Kommunalwahlen an.
Grüne und Rechtspopulisten könnten dagegen Gewinne einfahren, wobei Experten zuletzt die Einschätzung äusserten, dass sich ein Rückgang der Wahlbeteiligung bei den Senioren negativ auf die rechten Parteien auswirken könnte.
Es wurde mit der Wiederwahl zahlreicher Bürgermeister gerechnet, die den früheren Regierungsparteien der Sozialisten oder der bürgerlichen Republikaner angehören. Besonderes Augenmerk lag auf Paris, wo die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo erneut antritt.
Hidalgo liefert sich in den Umfragen ein knappes Rennen mit der früheren Justizministerin Rachida Dati von der Partei Les Républicains von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. In Le Havre am Ärmelkanal stellt sich zudem Premierminister Edouard Philippe zur Wahl, der dort bis 2017 bereits Bürgermeister war.