VW verdient trotz Autokrise überraschend viel Geld
VW überrascht inmitten einer Krise der Autobranche mit guten Zahlen. Der Lauf im Tagesgeschäft gibt Chef Herbert Diess Rückendeckung für den grundlegenden Konzernumbau. Doch Hürden bleiben. Und ein Gerichtsurteil bringt auch das Diesel-Dilemma wieder auf den Tisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Oft waren es in den vergangenen Jahren selbstgelegte Stolpersteine, die den Volkswagen-Konzern bremsten.
Zuvorderst die Dieselaffäre, die bis heute 30 Milliarden Euro gekostet hat. Oder das Debakel um neue Abgas- und Verbrauchstests, weswegen viele Modelle monatelang gar nicht zu kaufen waren.
Nun steht aber gerade Volkswagen im grössten Branchenabschwung seit der Finanzkrise als glänzender Vertreter der deutschen Autoindustrie da. Viele namhafte Hersteller und Zulieferer mussten schon Gewinnwarnungen ausgeben, darunter BMW, Continental und Daimler.
Volkswagen hingegen liegt nach sechs Monaten beim operativen Gewinn über den Planungen. Dabei rechnet der Konzern zwar die Milliarde, die auch dieses Jahr schon auf das Dieselkonto floss, heraus. Dennoch: Im Tagesgeschäft läuft es für den Konzern mit seinen zwölf Fahrzeugmarken rund.
Volkswagen-Finanzchef Frank Witter hat trotzdem guten Grund, vorsichtig zu bleiben. «Wir reden hier von Gegenwind, nicht von Rückenwind», beschrieb er die Lage am Donnerstag.
In China, dem wichtigsten Einzelmarkt von VW, gab es zwar im Juni seit längerem wieder einen Aufschwung bei den ausgelieferten Autos, doch der Konzern führt das auf anstehende Gesetzesänderungen zurück und bleibt skeptisch. In Europa sind die Pkw-Märkte ebenfalls unter Druck, und auch der US-Markt hat schon bessere Zeiten gesehen.
Doch die Zahlen bisher sind ordentlich: fast sieben Prozent Umsatzplus auf 65,2 Milliarden Euro, obwohl weniger Autos ausgeliefert wurden. Grund sind die teureren SUV-Modelle, deren Anteil VW stetig steigert. Der Konzern war spät dran mit den protzigen und beliebten Autos. Jetzt aber verkauften sich etwa T-Roc und T-Cross in Europa sowie der riesige Atlas in den USA prächtig, sagte Vertriebsmanager Jens Effenberger. Das hilft in der Flaute, weil VW genau das Segment stärker anbietet, das noch Käufer findet.
Unter dem Strich stand sogar ein deutliches Gewinnplus von fast einem Viertel auf 4,1 Milliarden Euro. Das aber vor allem, weil im Vorjahr 1,6 Milliarden Euro für den Dieselskandal anfielen.
Die Zwischenbilanz stärkt VW-Konzernchef Diess. Der Manager ist mit der Elektro-Offensive des Autoriesen zum Erfolg verdammt, weil spätestens 2021 Strafen wegen zu hohen CO2-Ausstosses drohen.
Die neuen E-Modelle kosten viel Geld in der Entwicklung, und niemand weiss, ob die Kunden sie auch in der nötigen Menge kaufen. Auf Drängen der Arbeitnehmer hat der Konzern dennoch beschlossen, in die Batteriezellfertigung in Deutschland einzusteigen. Das ist ein milliardenschweres Unterfangen.
Ein weiteres teures Projekt: Eine Milliarde Euro schiesst VW in die Ford-Tochter Argo und legt die eigene Tochter AID im Wert von 1,6 Milliarden noch obendrauf, um Zugriff auf die Argo-Technik fürs autonome Fahren zu bekommen. Ein Bereich, der zunächst kaum Geschäft abwerfen wird, weil die Technik noch Jahre braucht. Diess will mit den Investitionen heute aber die Umsätze von morgen sichern.
Und schliesslich gibt es im VW-Reich auch sonst noch genug Probleme. So holt das Diesel-Dilemma die Wolfsburger auch am Donnerstag mal wieder ein. Das Arbeitsgericht Braunschweig gab einer früheren VW-Abteilungsleiterin Recht, die gegen ihre Kündigung geklagt hatte. VW hatte der Frau vorgeworfen, sie habe an der Manipulation von Abgassoftware mitgewirkt. Das Gericht urteilte aber: Den VW entstandenen Schaden durch den Dieselskandal müsse sich das Unternehmen wegen grob fahrlässiger Unkenntnis des damaligen Chefs Martin Winterkorn zu 100 Prozent selber zuschreiben.
Sorge bereitet zudem die Situation bei der Premiumtochter Audi, deren operativer Gewinn auch im zweiten Quartal zurückging. Über die kommenden Jahre will Audi insgesamt 15 Milliarden Euro einsparen. Doch die Werke sind nicht ausgelastet, und das kostet Geld.
Pläne für ein neues Werk in Osteuropa könnten dem Konzernbetriebsrat in diesem Zusammenhang sauer aufstossen. In der engeren Auswahl sind noch Bulgarien und die Türkei - laut Berichten mit Vorteilen für die Türkei, die sich für einen Produktionsstandort ins Zeug legt und bei den Arbeitskosten noch günstiger ist.
Währenddessen läuft in Deutschland bei der Kernmarke in der Produktion aber auch noch ein Sparprogramm, das VW im Herbst 2016 mit der Arbeitnehmerseite verabredet hatte. Es sieht den weltweiten Abbau von 30.000 Stellen vor, 23.000 davon in Deutschland.