Gerhard Schröder als Podcast-Pionier
Bislang ging der Podcast-Boom an der Politik vorbei. Während das NDR-Angebot mit Virologe Christian Drosten durch die Decke ging, setzten Politiker mehr auf Twitter und steife Videobotschaften. Nun kommt der Altkanzler mit einer Podcast-Reihe. Titel: «Die Agenda».
Das Wichtigste in Kürze
- Die Stimme ist wie für das Medium gemacht: Sonor, verraucht, mit dem unverwechselbaren Zungenschlag spricht hier einer, den man seit Jahrzehnten aus der Politik kennt.
Unverkennbar Gerhard Schröder.
Der sozialdemokratische Altkanzler startet an diesem Dienstag als einer der ersten deutschen Spitzenpolitiker seine eigene Podcast-Reihe auf gängigen Plattformen wie Spotify oder Apple Podcasts: «Gerhard Schröder - Die Agenda». Unter dieser Anspielung auf seine grösste, vor allem innerhalb der SPD aber auch umstrittenste politische Leistung macht es der 76-Jährige nicht.
Auch ansonsten ist die Auftaktfolge zu der vorerst auf acht Episoden angelegten Reihe Schröder pur. Er teilt gewohnt kernig aus: Der ukrainische Botschafter, der ihn als «Top-Lobbyisten» des russischen Präsidenten Wladimir Putin bezeichnet hatte? Für Schröder nur ein namenlos bleibender «Zwerg».
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist für ihn dagegen in der Corona-Krise eher ein Riese: «Er macht einen strammen Job, sehr professionell.» Seine Nachfolgerin im Kanzleramt, Angela Merkel? «Macht das ordentlich.» Nur im «Basta»-Sagen, seiner einstigen Spezialität, könne die CDU-Frau ihm nicht das Wasser reichen. Denn Ministerpräsidenten, das wisse er aus eigenem Handeln, seien eigentlich nur profilierungssüchtige «Zaunkönige», könnten jedoch «auch beissen».
Lob hält der SPD-Altkanzler auch für einen Genossen parat. Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sei «zeitweise ein bisschen fixiert auf die schwarze Null» gewesen. Doch davon habe sich Scholz erfreulicherweise gelöst und im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise die «Bazooka» herausgeholt.
Die sogenannten Corona-Rebellen? «Idioten gab es auf dieser Welt schon immer», befindet Schröder knapp.
So geht das gut 30 Minuten, in denen Schröder sich in seiner Hannoveraner Anwaltskanzlei von seinem einstigen Regierungssprecher Béla Anda freundlich befragen lässt. Man duzt sich. Kritisch ist das natürlich alles nicht, aber unterhaltsam. Schröder entdeckt mit den Podcasts nach seinem Debüt beim Business-Netzwerk Linkedin im April nun erneut die sozialen Medien für sich. Die Zeit von «Bild, BamS und Glotze» ist also selbst für den einstigen Internetmuffel Schröder vorbei. Direkte Kommunikation erspart unangenehme Fragen, etwa nach seinem Engagement für Russland und russische Firmen, die er in den regulären Interviews häufig barsch abwehrt.
Nur Schröder selbst überrascht im Podcast mit ungewohnter Selbstkritik. Er sei ein Skeptiker des Föderalismus gewesen, sagt er. Und räumt ein: «Das war ein Irrtum.» Erst die Fähigkeit zum differenzierten Handeln habe Deutschland eine gut abgestufte Antwort auf die Corona-Krise ermöglicht.
Er selbst habe nicht sehr unter den Einschränkungen der Corona-Krise gelitten: «Es war aushaltbar.» Nur Restaurantbesuche und die Arbeit habe er vermisst.
Dann setzt er noch einen seiner Schröder-Sprüche obendrauf, bei dem die SPD-Linken gewiss die Faust in der Tasche ballen. Er hätte sich bei den Beschränkungen eine differenzierte Beurteilung der Sportarten gewünscht, vor allem seiner Lieblingsbetätigungen «Tennis und Golf, die ja angeblich von den Wohlhabenden gespielt werden. Was ja auch nicht immer stimmt, beispielsweise in meinem Falle», sagt Multiaufsichtsrat Schröder dann noch. Das breite, Schröder-typische Grinsen kann man da förmlich hören. Ab jetzt immer dienstags.