Angesichts der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit möglicherweise mehr als hundert Toten sind Forderungen nach einer Wiederaufnahme staatlicher Seenotrettung lauter geworden.
Gerettete Migranten in der libyschen Hafenstaft Choms
Gerettete Migranten in der libyschen Hafenstaft Choms - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Internationale Organisation für Migration geht vom Tod von 110 Flüchtlingen aus.
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«Die jüngste Tragödie mit 115 vermissten Menschen vor der libyschen Küste zeigt einmal mehr, wie dringend eine staatlich finanzierte Seenotrettung im Mittelmeer gebraucht wird», sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der «Augsburger Allgemeinen» (Samstagsausgabe). Auch die UNO forderte ein Umdenken. Italiens Innenminister Matteo Salvini verweigerte derweil einem Schiff der eigenen Küstenwache mit 135 Flüchtlingen an Bord die Einfahrt in einen italienischen Hafen.

Die neue Tragödie hatte sich am Donnerstag vor der Küste der libyschen Stadt Choms abgespielt: Nach dem Untergang eines Flüchtlingsbootes befürchtete die Internationale Organisation für Migration (IOM) den Tod von mehr als 110 Migranten. Die libysche Küstenwache sprach von 115 Vermissten. Es wäre das schwersten Bootsunglück im Mittelmeer in diesem Jahr. Die genaue Opferzahl war am Freitag weiter unklar.

"Um das Sterben von Menschen im Mittelmeer zu verhindern, brauchen wir endlich ein gemeinsam getragenes Aufnahmesystem und eine faire Verteilung von Geflüchteten auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union?, sagte Göring-Eckardt. Der Obmann der Fraktion der Linken im Menschenrechtsausschuss des Bundestags, Michael Brandt, nannte eine staatliche Seenotrettung "dringend erforderlich".

UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi bezeichnete den Fall als die «schlimmste Mittelmeertragödie dieses Jahres». Bereits in einer ersten Reaktion auf das Unglück am Donnerstag hatte er zudem eine «Wiederaufnahme der Seenotrettung», ein Ende der «Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen» und sichere Fluchtrouten aus Libyen gefordert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte im Kurzbotschaftendienst Twitter «sichere und legale Routen für Migranten und Flüchtlinge».

145 Insassen des gesunkenen Holzboots wurden nach IOM-Angaben von der libyschen Küstenwache gerettet und nach Choms, 120 Kilometer östlich von Tripolis, zurückgebracht. Bislang wurde nur einer der Vermissten tot aus dem Mittelmeer geborgen. Die libysche Küstenwache habe keine Ressourcen, um nach den anderen Leichen zu suchen, sagte ein Mitglied der Küstenwache der Nachrichtenagentur AFP. «Wir müssen warten, bis das Meer die Leichen an Land spült», sagte er.

Der eritreische Überlebende Abdallah Osman sagte der AFP, das Schiff sei rund eineinhalb Stunden nach Abfahrt in Libyen in Seenot geraten. «Der ägyptische Kapitän entschied umzukehren», sagte der 28-Jährige. Ein Schiff in der Nähe habe das mit Wasser gefüllte Boot entdeckt, aber nichts unternommen. Nach sechs bis sieben Stunden seien libysche Fischer mit kleinen Booten zur Hilfe geeilt. Zahlreiche Migranten seien aber ertrunken. Ein Fischer sprach von «im Wasser treibenden Leichen».

Salvini verweigerte derweil einem Schiff der eigenen Küstenwache mit 135 Migranten an Bord in Italien anzulegen. Zunächst müsse die EU die Verteilung der Migranten koordinieren; vorher werde kein Hafen geöffnet.

Hilfsorganisationen forderten, dass Migranten nicht nach Libyen zurückgebracht werden dürften. «Alle Flüchtlinge und Migranten, die in Lagern in Libyen festgehalten werden, müssen dringend und umgehend aus diesen evakuiert werden», erklärte die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Göring-Eckardt betonte: «Die libysche Küstenwache ist Teil des Problems und nicht der Lösung, weil sie mit kriminellen Schleppern und Schleusern kooperiert und Menschenrechte missachtet.»

Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini betonte angesichts des jüngsten Katastrophe im Mittelmeer die «eindeutige Verpflichtung» der EU, den «Kampf gegen Schlepper» und die «Kapazitäten der libyschen Küstenwache» zu verstärken. Die libyschen Behörden forderte sie zu einer Beendigung der «willkürlichen Gefangennahme von Migranten» auf. Die Einführung von Mechanismen zur «verbesserten Behandlung der von der libyschen Küstenwache Geretteten», sei dringend nötig, erklärte Mogherini.

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