«Haben Männerproblem»: Die Tragödie von Frankfurt wird zum Politikum

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Bern,

Die Tragödie von Frankfurt wurde zum Politikum. Erst als Argument gegen Ausländer, nun als Argument gegen männliche Gewalt.

Frankfurt Zug Ertrieer
Nach der Tragödie von Frankfurt wird diskutiert, welche Bevölkerungsgruppe denn nun problematisch ist. Eritreer? Männer? - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein psychisch kranker Mann stösst drei Menschen vor den Zug. Ein Junge stirbt.
  • Der Fall wird politisiert. Erst werden Ausländer ins Auge gefasst. Dann Männer.
  • Die Leiterin des Berner Männerhauses aber fragt: Warum muss man immer pauschalisieren?

Weil der Täter aus Eritrea kommt, schalten sich sofort rechte Politiker ein. Sie sehen in erster Linie den gewalttätigen Ausländer, nicht den psychisch Kranken. Dann dreht das Täter-Karussell weiter.

Ausländer? Männer?

Bald wird nicht mehr die Nationalität beanstandet, sondern das Geschlecht. SP-Nationalratskandidatin Anna Rosenwasser schreibt auf Facebook: «Unser Problem sind keine Ausländer. Unser Problem ist männliche Gewalt

Und weiter: «An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass bei schweren Gewaltdelikten 93.4 Prozent der Beschuldigten Männer sind (Stand 2017, polizeiliche Kriminalstatistik).» Auch die ehemalige Grüne-Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin verwies auf Twitter auf die gleichen Zahlen. Nun also liegt der Fokus auf dem Geschlecht.

Zahlen, Fakten und ein Shit-Storm

Die Reaktion auf diese und ähnliche Posts: Eine Welle der Empörung. Der Vorwurf: Es werde «Männer-Hass» geschürt. Darauf schüttelt Rosenwasser nur virtuell den Kopf. «Es geht nicht um Hass», schreibt sie. «Es geht um eine Statistik, die uns aufzeigt, dass über 90 Prozent der Gewalt von Männern ausgeht.»

Sieglinde Kliemen, Leiterin des Männer-Hauses «ZwüscheHalt» in Bern, sieht das anders. «Wem dient ein solcher Fokus», fragt sie. «Dem Opfer? Der Suche nach einer nachhaltigen Lösung? Oder wird da einfach ein trauriges Thema politisch ausgeschlachtet?»

Sieglinde Kliemen
Sieglinde Kliemen leitet das Berner Männer- und Väterhaus ZwüscheHalt. - zVg

Für sie ist es egal, ob die Person, welche die Tat beging, ein Mann oder ein Ausländer war. «Fest steht, dass ein psychisch kranker Mensch etwas unglaublich schlimmes getan hat.»

Zu Pauschalisieren bringe niemandem etwas. Ganz im Gegenteil. «Solange wir stets automatisch von Männern als Täter und Frauen als Opfer ausgehen, werden wir keine gleichberechtigte Gesellschaft haben.»

Einfach Opfer – statt Kategorien – sehen

Zu den zitierten Statistiken sagt Kliemen: «Meiner Meinung nach stimmen die Zahlen nicht.» Da sei einerseits die hohe Dunkelziffer. «Und die Hellziffer ist geprägt von den Lösungen und Sensibilisierungen aufgrund des Vorurteils Mann gleich Täter. Und Frau gleich Opfer. Auch die Statisitken werden mit dieser Brille geführt. Also sind sie per se falsch.»

Man müsse darum umso besser hinschauen. «Wenn wir schauen, wie viele Männer Täter sind, müssen wir auch schauen, wie viele Männer Opfern von Gewalt werden. Auch da machen sie die Mehrheit aus.»

Kliemen fordert darum, bei Gewaltdelikten grundsätzlich Opfer zu sehen, die Hilfe brauchen. Und nicht das Geschlecht oder die Nationalität. «Wir müssen aus diesem trennenden und kämpferischen Denken raus», so Kliemen.

«In der Konsequenz müsste man meiner Meinung nach darum statt Frauen- auch Opferhäuser einrichten. Damit alle, die Schutz bedürfen, diesen auch bekommen. Und wir endlich aufhören können, in Schubladen zu denken.»

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