Mehr als eine Million Menschen haben die Ukraine verlassen, die meisten retten sich zunächst nach Polen. Doch auch andere Länder müssen sich aus Expertensicht auf noch viel mehr Menschen einstellen.
Ein ukrainischer Soldat versucht, die Menschenmenge aufzulösen, die am Bahnhof von Kiew in einen Zug nach Lwiw steigen will. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa
Ein ukrainischer Soldat versucht, die Menschenmenge aufzulösen, die am Bahnhof von Kiew in einen Zug nach Lwiw steigen will. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Europa muss sich nach Meinung des Migrationsforschers Gerald Knaus auf zehn Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine einstellen.
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«Putins Kriegsführung in Tschetschenien hat dazu geführt, dass ein Viertel der Tschetschenen vertrieben worden sind. Darauf müssen wir uns einstellen», nannte Knaus dem Redaktionsnetzwerk Deutschland eine Vergleichszahl. «Ein Viertel der Ukrainer entspräche zehn Millionen Menschen.» Bei der aktuellen Dynamik des Krieges sei dies durchaus möglich.

Bei einem Blick auf die Kriegsführung der Russen kann man Knaus zufolge Vorstellungen von Flüchtlingszahlen erhalten. «In einer Woche haben schon so viele Menschen die EU erreicht wie im gesamten Bosnienkrieg», so der Migrationsforscher. «Diese Geschwindigkeit zeigt, dass wir in Europa vor der schnellsten und grössten Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg stehen.»

Mehr als eine Million Geflüchtete

Nach Angaben der UN-Migrationsagentur IOM flüchteten bereits 1,45 Millionen Menschen in die Nachbarländer der Ukraine. Die Voraussetzungen für schnellen und unkomplizierten Schutz der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wurden am Freitag auch formell getroffen. Die EU-Innenminister hatten sich darauf geeinigt, erstmals eine Richtlinie für den Fall eines «massenhaften Zustroms» von Vertriebenen in Kraft zu setzen.

Der Schutz gilt zunächst für ein Jahr, kann jedoch um insgesamt zwei weitere Jahre verlängert werden. Ein langwieriges Asylverfahren ist damit nicht nötig. Zudem haben die Schutzsuchenden unmittelbar unter anderem das Recht auf Sozialleistungen, Bildung, Unterkunft sowie auf eine Arbeitserlaubnis.

800.000 in Polen angekommen

Allein in Polen kamen nach Angaben des Grenzschutzes seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine mehr als 827.600 Flüchtlinge aus dem Nachbarland an. Am Samstag hätten bis zum Nachmittag 74.000 Menschen die Grenze passiert, teilte die Behörde am Samstag per Twitter mit.

Am Grenzübergang Medyka-Schehyni trafen auch am Samstag wieder viele Flüchtlinge ein, wie ein dpa-Reporter berichtete. Die Aufnahme sei geordnet verlaufen. Zudem habe sich am Grenzübergang in Richtung Ukraine ein langer Stau gebildet. Hilfsinitiativen und Privatleute aus Polen, Litauen, Deutschland und anderen Ländern seien unterwegs, um humanitäre Hilfe in die Ukraine zu bringen.

In der Slowakei trafen seit Kriegsbeginn mehr als 101.500 Geflüchtete aus der Ukraine ein, wie ein Sprecher der dortigen Polizei der tschechischen Nachrichtenagentur CTK sagte. Nach Angaben von Innenminister Roman Mikulec haben bislang 2000 Menschen einen Antrag auf Schutz in dem EU-Land gestellt.

Tausende fliehen nach Italien

In Italien kamen etwas mehr als 11.300 ukrainische Flüchtlinge an. Ein Grossteil der Menschen (fast 6870) habe das Land mit rund 60 Millionen Einwohnern auf dem Landweg über die italienisch-slowenische Grenze erreicht, teilte das Innenministerium am Samstag in Rom mit. Insgesamt zählten die Behörden Stand Samstagmorgen bislang 5620 Frauen, fast 1200 Männer und etwa 4500 Minderjährige. Die Hauptziele der Flüchtenden seien die grossen Städte Rom, Mailand, Bologna und Neapel, wo die Menschen Bekannte und Familienmitglieder hätten.

Tschechien hatte am Freitag bereits mehr als 50.000 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert, Ungarn meldete knapp 145.000 Menschen aus dem östlichen Nachbarland. Griechenland zählte insgesamt gut 2700 Flüchtlinge aus der Ukraine.

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