Gezielte Corona-Infektionen: Ein guter Weg zum Impfstoff?

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Grossbritannien,

Die Welt kämpft mit den Folgen der Corona-Pandemie. Die Sehnsucht nach einem wirksamen Impfstoff gegen das Virus ist gross. Das führt dazu, dass einige auch auf umstrittene Methoden setzen.

Grossbritannien plant absichtliche Corona-Infektionen für Impfstoff-Tests. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Grossbritannien plant absichtliche Corona-Infektionen für Impfstoff-Tests. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Während in aller Welt Mediziner um das Leben schwer erkrankter Corona-Patienten ringen, infiziert ein kleines Ärzte-Team in einer Londoner Klinik Menschen gezielt mit dem Virus.

Was erstmal etwas gruselig klingt, könnte in wenigen Monaten Realität sein. Dahinter steht ein ehrgeiziges Ziel: Mit sogenannten Human Challenge Trials soll schneller ein wirksamer Corona-Impfstoff gefunden werden. Doch die Vorgehensweise ist ziemlich umstritten.

Bei Human Challenge Trials, die bei der Entwicklung von Grippe- oder Malaria-Impfstoffen bereits zum Einsatz kamen, wird möglichst fitten, gesunden Freiwilligen zunächst ein potenzieller Impfstoff verabreicht. Dann werden die Probanden absichtlich dem jeweiligen Erreger ausgesetzt. Die Forscher wollen sehen, wieviele Probanden sich trotz Impfung anstecken. Der Vorteil an diesem Prozedere: Die Wirksamkeit kann vergleichsweise effizient getestet werden. Das übliche Verfahren sieht vor, Zehntausende zu impfen und dann zu schauen, ob sich weniger Menschen auf natürliche Weise infizieren als in einer ungeimpften Kontrollgruppe.

In London sollen nun weltweit erstmalig ab Januar solche Tests mit Bezug auf Corona stattfinden, wie die «Financial Times» unter Berufung auf Projektbeteiligte berichtet. Man arbeite mit mehreren Partnern zusammen, um mithilfe von «Human Challenge»-Tests die Entwicklung von Impfstoffen zu beschleunigen, bestätigte ein Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur in London.

Diese Partner sind zum einen das Londoner Imperial College sowie das Pharma-Forschungsinstitut hVivo, das bereits ähnliche Studien bei anderen Mitteln durchgeführt hat. In der kommenden Woche soll das Projekt offiziell vorgestellt werden.

Die ganze Welt sehnt sich nach einem Impfstoff, der die Pandemie unter Kontrolle bringt. Da klingt alles, was ein solches Mittel schneller verfügbar machen könnte, erst einmal vielversprechend. Doch so einfach ist es bei den Human Challenge Trials nicht: «Je gefährlicher eine Krankheit ist, desto mehr spricht dagegen, solche Tests durchzuführen», sagt Joerg Hasford, der in Deutschland den Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen leitet.

Covid-19 sei erwiesenermassen tödlich, teilweise auch für junge Menschen, und es gebe bislang kein zuverlässiges Gegenmittel. «Ich finde, das ist auch eine Zumutung für die Ärzte. Stellen Sie sich vor, Sie sind Arzt und infizieren jemanden, und der stirbt.» Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) nennt solche Studien im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 sogar «inakzeptabel».

Neben ethischen Bedenken steht auch die wissenschaftliche Aussagekraft der Trials in Zweifel. Impfstoffe könnten keinesfalls auf diese Weise an Senioren und chronisch Kranken getestet werden, betont der vfa - obwohl gerade diese Gruppen besonders durch das Coronavirus gefährdet seien. «Es ist eben nicht so, dass man Ergebnisse von jungen Frauen so leicht auf alte Männer übertragen kann. Das körpereignes Abwehrsystem wird mit dem Alter in der Regel nicht besser», meint auch Hasford.

In Deutschland sind «Human Challenge»-Studien nach Einschätzung des Experten mit Corona-Impfstoffen quasi undenkbar. Gerichte könnten das Vorgehen bei Klagen als «sittenwidrig» einschätzen, da die Fürsorgepflicht eines Arztes nicht durch die Einwilligung eines Patienten aufgehoben werde. «Das gibt das deutsche Grundgesetz nicht her», so Hasford. Nach vfa-Angaben hat bislang auch kein Pharmaunternehmen entsprechende Verfahren in Deutschland beantragt.

Der Wettlauf um einen Impfstoff läuft weltweit auf Hochtouren. Einige wenige Mittel sind bereits in der entscheidenden Testphase III mit Zehntausenden Probanden. Dabei wird überprüft, ob der Impfstoff nicht nur verträglich ist, sondern auch tatsächlich vor einer Corona-Infektion schützt. Noch ist das für kein Mittel nachgewiesen.

Bis das Projekt in London anlaufen kann, gibt es noch Hürden. So steht dem «Financial Times»-Bericht zufolge etwa noch nicht final fest, ob dafür eine Quarantäneklinik von hVivo im Osten Londons genutzt werden kann - oder ein neues Gebäude gebaut werden muss. Die US-amerikanische Lobby-Organisation 1DaySooner, die sich für Covid-19-«Human Challenge»-Studien stark macht, setzt sich für die öffentliche Förderung eines Neubaus in London ein.

Bei 1DaySooner haben sich auch bereits rund 2000 Freiwillige gefunden, die im Fall der Fälle in Grossbritannien an einer solchen Studie teilnehmen wollen. Medizinethiker Hasford bleibt skeptisch: «Ich könnte mir vorstellen, dass es grossen internationalen Protest geben wird.»

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