Italienisches Parlament muss sich mit Misstrauensantrag gegen Conte befassen
Nach gut einem Jahr steht die populistische Regierung in Italien vor dem Aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Vizeregierungschef Salvini setzt auf Sieg seiner Lega bei Neuwahlen .
Die rassistische Lega von Vize-Regierungschef Matteo Salvini brachte nach eigenen Angaben einen Misstrauensantrag gegen den parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte im Senat ein. Gemäss den Regeln der Kammer muss der Antrag ab Montag oder Dienstag binnen zehn Tagen geprüft werden. Salvini setzt angesichts eines Umfragehochs auf einen Sieg seiner Lega bei Neuwahlen.
Erklärt der Senat Conte sein Misstrauen, muss die Abgeordnetenkammer nicht mehr über das Misstrauensvotum abstimmen - die seit 14 Monaten bestehende Regierung aus Salvinis Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung von Vizeregierungschef Luigi Di Maio ist dann beendet.
Die italienische Nachrichtenagentur AGI hatte berichtet, der Senat könne am 20. August zusammentreten, um den Verlust der Regierungsmehrheit festzustellen. Das Parlament könne dann binnen weniger Tage aufgelöst werden. Neuwahlen müssten laut Verfassung in einer Frist von bis zu 70 Tagen stattfinden.
Mit der Forderung nach Neuwahlen hatte Salvini, der auch Innenminister ist, die Regierung am Donnerstag in eine schwere Krise gestürzt. Bei einem Auftritt in Termoli bekräftigte Salvini, dass er Neuwahlen «so schnell wie möglich» wolle. Medienberichten zufolge würde die Lega einen Wahltermin in der zweiten Oktoberhälfte bevorzugen.
Schon kurz nachdem er die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung für gescheitert erklärt hatte, ging Salvini in den Wahlkampfmodus über. Vor Anhängern in Pescara versprach er Steuersenkungen. Die Parlamentarier rief er dazu auf, «ihren Hintern hochzukriegen und nach Rom zurückzukehren». Das Parlament befindet sich derzeit in der Sommerpause und sollte seine Arbeit eigentlich erst im September wieder aufnehmen.
Die Krise zwischen den Koalitionspartnern hatte sich seit längerem abgezeichnet. Den Ausschlag gab nun die letzte Abstimmung im Parlament vor der Sommerpause am Mittwoch. Dabei votierte die Fünf-Sterne-Bewegung gegen ein milliardenschweres Bahnprojekt zwischen dem französischen Lyon und der norditalienischen Stadt Turin, das von der Lega unterstützt wurde.
Salvini erklärte am Donnerstag, es sei sinnlos, mit ständiger Ablehnung und Streitigkeiten weiterzumachen. «Lasst uns den Wählern das Wort zurückgegeben», forderte er.
Conte kritisierte Salvinis Vorstoss scharf. «Es steht dem Innenminister nicht zu, das Parlament einzuberufen», erklärte er. Fünf-Sterne-Chef Di Maio warf Salvini vor, sich bei seinem Vorgehen von den Umfragen leiten zu lassen. Demnach kommt die Lega, bislang Juniorpartner in der Regierung, derzeit auf 36 bis 38 Prozent Zustimmung. Damit könnte sie möglicherweise allein regieren oder eine Koalition mit einem kleinen Partner wie der neo-faschistischen Partei Fratelli d'Italia des Mussolini-Urenkels Caio Giulio Cesare Mussolini eingehen.
Die Regierung in Rom sei «schon länger am Ende», sagte der Politik-Experte Stefano Folli der Nachrichtenagentur AFP. «Fest steht, dass wir in wenigen Monaten eine rechte Regierung haben werden - denn die Linke ist schwach und die Fünf-Sterne-Bewegung steckt in der Krise», fügte Folli an.
Der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Paolo Gentiloni schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, Salvini versuche, alle Kräfte zu versammeln, «um uns aus Europa zu herauszuführen.» Dies werde aber «nicht passieren», betonte Gentiloni.
Salvini verfolgt eine EU- und flüchtlingsfeindliche Agenda. Seine Politik der «geschlossenen Häfen» sorgt regelmässig für Streit mit anderen EU-Staaten. Erst kürzlich erzwang er die Aufnahme von vor der italienischen Küste festsitzenden Flüchtlingen durch andere EU-Staaten.
Das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen kann allerdings nur Staatschef Sergio Mattarella. Er hat bereits mehrfach darauf gepocht, dass eine Regierung im Amt sein muss, um im Schuldenstreit mit der EU den Haushaltsplan fertigzustellen. Dessen erster Entwurf muss der EU bis Ende September vorgelegt werden. Der Präsident könnte deshalb eine Übergangsregierung aus Technokraten ernennen und die Neuwahlen auf Februar oder März verschieben.