Lothar H. Wieler: «Es herrscht eine Notlage in unserem Land»
Der RKI-Präsident, Lothar H. Wieler, warnt vor der Entwicklung der Corona-Lage in Deutschland. Er plädiert auf eine Durchsetzung von 2G-Regeln.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, warnt vor einer Notlage in Deutschland.
- In einer Rede warf Wieler der Politik schwere Fehler und Versäumnisse vor.
- Zudem plädiert er für die konsequente Durchsetzung von 2G-Regeln.
Lothar H. Wieler, der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), hat ein dramatisches Bild der Corona-Lage in Deutschland gezeichnet. «Wir laufen momentan in eine ernste Notlage. Wenn wir nicht gegensteuern, wird es ein sehr schlimmes Weihnachtsfest», teilte Wieler am Mittwochabend mit.
Die Zahl der Neuinfektionen steige steil an, und tatsächlich dürfte sie weitaus höher sein als bekannt: «Die Untererfassung der wahren Zahlen verstärkt sich.» Momentan werden rund 50'000 Infektionen pro Tag neu registriert. Dahinter «verbergen sich mindestens noch einmal doppelt oder dreimal so viele», so der RKI-Chef.
Zahl der Toten wird laut Lothar H. Wieler steigen
Zuletzt seien 0,8 Prozent der Erkrankten gestorben. Das bedeute, dass von den mehr als 50'000 Infizierten pro Tag in den nächsten Wochen 400 sterben würden. «Daran gibt es nichts mehr zu ändern.»
In der Bundespressekonferenz habe er zuletzt noch etwas zurückhaltender von 200 Toten pro Tag gesprochen. Tatsächlich sei die Zahl aber höher. Niemand könne diesen Menschen noch helfen, selbst mit bester medizinischer Versorgung nicht.
Auch die Lage in den Krankenhäusern wird laut Lothar H. Wieler immer schlimmer. «Wir waren noch nie so beunruhigt wie jetzt», sagte der RKI-Chef. Für Menschen mit Schlaganfall und andere Schwerkranke müsse mancherorts bis zu zwei Stunden nach einem freien Intensivbett gesucht werden.
«Die Versorgung ist bereits in allen Bundesländern nicht mehr der Regel entsprechend.» Und das werde noch zunehmen.
Prognosen seien «superdüster»
«Sie sehen, die Prognosen sind superdüster, sie sind richtig düster», sagte Lothar H. Wieler. «Es herrscht eine Notlage in unserem Land. Wer das nicht sieht, der macht einen sehr grossen Fehler.»
Dabei habe das RKI frühzeitig sehr klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen und gewarnt, dass die vierte Welle alle bisherigen deutlich übertreffen könnte. Dies wenn keine «bevölkerungsbezogenen Massnahmen» ergriffen würden und die Impfquote nicht deutlich steige. Tatsächlich seien die modellierten Szenarien nun eingetroffen.
Wieler warf der Politik schwere Fehler und Versäumnisse vor. «Wir haben zu schnell in zu vielen Bereichen geöffnet», kritisierte er. «Clubs und Bars sind Hotspots, aus meiner Sicht müssen die geschlossen werden.» Grossveranstaltungen müssten abgesagt werden.
Wieler plädiert für 2G-Regeln
Zugleich plädierte Wieler für die konsequenten Durchsetzung von 2G-Regeln, also den Zutritt zu vielen Bereichen nur für Geimpfte und Genesene. «Wir dürfen denen, die sich nicht impfen lassen, wirklich nicht die Chance geben, die Impfung zu umgehen. Zum Beispiel, indem sie sich freitesten lassen», sagte er. Um das Impf-Tempo zu erhöhen, sollte auch in Apotheken geimpft werden.
«Ich sag das jetzt mal ganz klar: Es muss jetzt Schluss sein, dass irgendwer irgendwelchen anderen Berufsgruppen aufgrund von irgendwelchen Umständen nicht gestattet, zu impfen. Wir sind in einer Notlage», betonte Wieler. «Jeder Mann und Maus, der impfen kann, soll jetzt gefälligst impfen. Sonst kriegen wir diese Krise nicht in den Griff.»
Lothar H. Wieler forderte die Politik dazu auf, endlich zu handeln. «Wir müssen nicht ständig etwas Neues erfinden. Alle diese Konzepte und Rezepte sind vorhanden», sagte er.