Müssen sperrige Produkte bei Mängeln zurückgehen?
Müssen Verbraucher zusätzliche Kosten und Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, wenn sie mangelhafte Ware zugeschickt bekommen? Das oberste Gericht der Europäischen Union stärkt nun einmal mehr die Kundenrechte. Es lässt jedoch Hintertürchen offen.
Das Wichtigste in Kürze
- Kunden müssen sperrige oder schwer zu transportierende Produkte bei Mängeln nicht unbedingt zurücksenden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit diesem Grundsatzurteil einmal mehr die Rechte von Verbrauchern gestärkt.
Wenn mit dem Transport von etwa im Internet gekauften Waren erhebliche Unannehmlichkeiten verbunden wären, müssten die Verkäufer sich darum kümmern, erklärten die Luxemburger Richter nun . Ausserdem dürften für Verbraucher keine Zusatzkosten entstehen.
Hintergrund des Urteils war eine Klage aus Deutschland. Ein Mann hatte per Telefon ein seiner Meinung nach mangelhaftes Partyzelt gekauft - Ausmasse: fünf mal sechs Meter. Er verlangte die Beseitigung des Schadens oder die Lieferung eines neuen Zeltes. Die Herstellerfirma ging darauf allerdings nicht ein und bestritt die Mängel.
Das Amtsgericht Norderstedt hatte das Verfahren an die obersten Richter der Europäischen Union verwiesen. Dabei ging es um die Frage, wie bestehendes und die dessen auszulegen seien. Das Amtsgericht hatte Zweifel daran, dass der Mann verpflichtet sei, dem Verkäufer die Ware zurückzusenden. Daher wollte es wissen, an welchem Ort und unter welchen Bedingungen ein Verbraucher per Telefon oder im Internet gekaufte Ware, die sich als mangelhaft herausstellt, zurückgeben kann beziehungsweise diese repariert werden kann.
Der EuGH liess nun aber einige Details offen. Grundsätzlich sei es Sache der EU-Staaten und letztlich der nationalen Gerichte, den Ort zu bestimmen, an dem Waren zurückgegeben oder ausgebessert werden müssten. Dabei komme es auf den Einzelfall und das jeweilige Produkt an. Wenn dieses allerdings sehr schwer, gross oder zerbrechlich sei, müsste sich eher der Verkäufer um die Abholung kümmern.
Wenn dem Kunden die Rücksendung zuzumuten sei, dürfte er dadurch nicht zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Allerdings sei es in Ordnung, wenn er die Transportkosten vorstrecken müsse - sofern diese nicht so hoch seien, dass sie ihn von vornherein davon abhalten könnten.
Komme der Verkäufer seinen Pflichten nicht nach, könne der Kunde den Kaufvertrag auflösen und sein Geld zurückfordern, hiess es von den Luxemburger Richtern weiter. Die nationalen Gerichte müssten dann wiederum darüber wachen, dass Kunden zu ihrem Recht kämen.
Verbraucherschützer begrüssten das Urteil. Wenn bei einer Sache ein Mangel auftrete, sei es gerecht, dass Verbraucher dadurch nicht auch noch mit Kosten belastet werden, sagte Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. «Erst recht bei einer Ware die sehr gross ist. Denn anderenfalls könnten die Rücksendekosten den Verbraucher davon abhalten, von seinem Gewährleistungsrecht Gebrauch zu machen.»
Der EuGH hatte in der Vergangenheit in ähnlichen Rechtsstreitigkeiten in der Regel zugunsten von Verbrauchern und Kunden entschieden. Grund dafür ist, dass die EU-Gesetzgebung in den vergangenen Jahren oft darauf abzielte, Verbraucherrechte zu stärken. Der EuGH kam immer dann ins Spiel, wenn es Unklarheit über die Auslegung bestehender Regelungen gab. Einige Beispiele:
- Im Jahr 2017 entschied der Gerichtshof, dass die Kosten eines Anrufs unter einer Kundendiensttelefonnummer nicht höher sein dürften als die Kosten eines gewöhnlichen Anrufs. Andernfalls liege eine unlautere Geschäftspraxis vor (Rechtssache C-568/15).
- Wenn Kunden im Onlinehandel von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen und Waren - etwa bei Nichtgefallen - zurücksenden, dürfen die Kosten für die Zusendung der Produkte ihnen nicht auferlegt werden - die Kosten für die Rücksendung allerdings schon. Das stellte der EuGH 2010 klar (Rechtssache C-511/08).
- Wenn Verbraucher Waren, die sie zurücksenden, nicht auf unangemessene Weise genutzt haben, müssen sie dem Verkäufer ausserdem nichts zusätzlich zahlen. Das Widerrufsrecht würde nämlich beeinträchtigt, wenn Verbraucher noch dafür zahlen müssten, im Versandhandel gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren (Urteil von 2009, Rechtssache C-489/07).
- 2015 stellte der EuGH ausserdem klar, dass bei Mängeln, die innerhalb von sechs Monaten nach der Lieferung eines Produkts auftreten, vermutet werden kann, dass sie schon zum Zeitpunkt der Zusendung bestanden. Der Käufer müsse dann nur die Mängel nachweisen, nicht aber, wieso sie aufgetreten sind, oder dass der Verkäufer tatsächlich Schuld daran ist.